Die Obduktion bestätigt, was hilflose Zeugen mit ansehen mussten: Schwere Hundebisse haben zum Tod einer 72-jährigen Frau geführt. Die Debatte um den Umgang mit gefährlichen Hunden bekommt neuen Auftrieb. Die Halterin könnte vor Gericht kommen – und ins Gefängnis.
Stetten am kalten Markt/Stuttgart – Nach der tödlichen Attacke eines Hundes auf eine Seniorin in Stetten am kalten Markt (Kreis Sigmaringen) prüft die Staatsanwaltschaft Hechingen eine Anklage gegen die Hundehalterin wegen fahrlässiger Tötung. Im Falle einer Verurteilung der 43-jährigen Besitzerin des aggressiven Hundes der Rasse Kangal reicht die Strafmaßpalette von einer Geldstrafe bis hin zu fünf Jahren Haft, wie der Sprecher der Anklagebehörde, Markus Engel, am Freitag auf Anfrage erklärte.
Bei der am selben Tag abgeschlossenen Obduktion der getöteten 72-jährigen Frau bestätigte sich laut Staatsanwaltschaft, dass sie an den unmittelbaren Folgen schwerer Hundebisse im Kopf- und Halsbereich starb. Damit wurde unter anderem auch die Möglichkeit ausgeschlossen, dass sie während der Attacke einem Herzinfarkt erlag.
Die Untersuchung der Kadaver des Kangals und zweier weiterer Hunde derselben Halterin ergab bis zum Freitag keine Auffälligkeiten. Bislang seien keine Hinweise etwa auf mangelnde Ernährung oder die Aufnahme ungewöhnlicher Substanzen festgestellt worden, erklärte der Sprecher.
3 Hunde erschossen wegen Gefahr
Die drei Hunde seien aufgrund der akuten Gefährdungssituation erschossen worden, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Dabei sei es auch um den Schutz der Einsatzkräfte gegangen, die sich in das Gebäude der Halterin begeben mussten, um überprüfen zu können, ob nicht auch sie Opfer eines Angriffs geworden war.
Ob und wann die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, hänge von den weiteren Ermittlungen ab, hieß es. Geprüft werde dabei auch, wieso sich der Kangal von seiner Kette lösen und auf die Straße gelangen konnte. Nachbarn hatten nach eigenen Angaben mehrfach über die Aggressivität des Hundes geklagt.
Das Landratsamt in Sigmaringen hatte am Donnerstag erklärt, keine Kenntnis von Problemen mit der Haltung des Hundes gehabt zu haben. Der Bürgermeister der Gemeinde, Maik Lehn, forderte eine Diskussion über gefährliche Hunde. In Hessen und Hamburg werde die Rasse Kangal bereits so eingestuft. In der Debatte wurde verschiedentlich darauf verwiesen, dass in Bayern strengere Regeln als in Baden-Württemberg gelten würden.
Hunde könnten als Kampfhunde (Listenhunde) eingestuft werden
„Es bestehen aus unserer Sicht auch in Baden-Württemberg bereits ausreichende Möglichkeiten, vor Ort zu reagieren, wenn es um einen auffälligen Hund geht“, sagte dazu der Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart, Renato Gigliotti. In der baden-württembergischen Verordnung über gefährliche Hunde seien Kangals zwar nicht als sogenannte Kampfhunde gelistet. Die Verordnung ermögliche es aber, „alle Hunde jederzeit als gefährlich zu klassifizieren, bei denen es Hinweise auf eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen gibt“.
Diese Tiere könnten dann Kampfhunden gleichgestellt werden. Die Entscheidung darüber könnten die jeweiligen Landratsämter selbst fällen. Im konkreten Fall werde das Innenministerium vorerst keine Einschätzung abgeben, da zunächst das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten sei. „Wenn dadurch eine Neubetrachtung erforderlich ist, dann wird dies auch geschehen – und zwar im Verbund zwischen Innenministerium und Ministerium für Ländlichen Raum, weil wir ja gemeinsam Verordnungsgeber sind.“
Tödliche Hundeattacke – Ministerium wartet Ermittlungen ab
Das Landwirtschaftsministerium will erst am Ende der Ermittlungen zur tödlichen Hundeattacke auf eine Seniorin über mögliche Konsequenzen entscheiden. „Wenn die Fakten zu dem tragischen Vorfall auf dem Tisch liegen, werden wir in Abstimmung mit dem Innenministerium das weitere Vorgehen beschließen“, sagte ein Sprecher von Agrarminister Peter Hauk (CDU) am Donnerstag in Stuttgart. Damit reagierte er auf die Frage, ob die Hunderasse Kangal, zu der der aggressiver Hund gehörte, zur gefährlichen Rasse erklärt werden müsse. Der Hund hatte die 72-Jährige am Dienstag auf einem Fußweg in Stetten am kalten Markt (Kreis Sigmaringen) angefallen und totgebissen. Bürgermeister Maik Lehn hatte eine Diskussion über gefährliche Hunde auch im Südwesten angemahnt.
Grundlage dafür wäre die „Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde“ aus dem August 2000. Dort sind Rassen aufgelistet, die als Kampfhunde gelten und sich regelmäßiger Prüfung unterziehen müssen. Der Kangal, ein Herdenschutzhund, zählt nicht zu den erwähnten Rassen. Gleichwohl gibt es Bestimmungen in der Verordnung zu „gefährlichen Hunden“, wobei keine speziellen Rassen genannt werden. In diese Kategorie fallen Hunde, die bissig sind, aggressiv Menschen oder Tiere anspringen oder Wild oder Vieh reißen.
Ermittler prüfen Hundehaltung nach tödlicher Attacke auf Seniorin
Die Polizei untersucht, wie das eigentlich angekettete Tier in Stetten am kalten Markt vom Grundstück seiner Besitzerin kam. Zudem werde geprüft, ob es schon zuvor Probleme mit den Hunden gab, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Der Hund der Rasse Kangal hatte die 72-Jährige am Dienstagabend auf einem Fußweg angefallen und totgebissen.
Zwar rief eine Zeugin nach Polizeiangaben sofort den Rettungsdienst. Doch die Helfer konnten zunächst gar nichts tun: Ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, war es ihnen nicht möglich, sich der am Boden liegenden Frau zu nähern. Als der Hund von der 72-Jährigen abließ, war es bereits zu spät. Polizisten erschossen das Tier schließlich, auch zwei andere Hunde wurden getötet.
Das Landratsamt Sigmaringen teilte am Donnerstag mit, nichts von der Haltung des Hundes gewusst zu haben. Bei Kontrollen des Veterinärdienstes im Dezember 2012 und im Juni 2013 seien lediglich rund 20 Katzen auf dem Grundstück gewesen – Hunde hätten die Mitarbeiter nicht gesehen.
Der Bürgermeister der Gemeinde, Maik Lehn, sagte am Donnerstag, dass nur zwei der drei Hunde gemeldet waren. Laut Medienberichten besaß die 43-Jährige den Hund der Rasse Kangal erst seit wenigen Wochen. Bei ihren beiden anderen Hunden handelte es sich nach Polizeiangaben ebenfalls um einen Kangal sowie um einen kleineren Mischlingshund.