Über Nacht ist die baden-württembergische Kleinstadt Pfulllingen am Fuße der Schwäbischen Alb bundesweit bekannt geworden – jedenfalls in der Hundeszene. Auslöser war die kurzfristige Absage des für den 16. September geplanten Hundeschwimmtages in dem dortigen Schönbergbad durch die Stadtverwaltung und die darauf folgende Entrüstung der Hundehalter in den sozialen Medien.

Brisant war nicht die Absage an sich – gelegentlich werden solche Events aus technischen oder organisatorischen Gründen annulliert. So ist 2015 das Hundeschwimmen in Nürnberger Stadionbad entfallen, weil die Anlage als Notunterkunft für Flüchtlinge herhalten musste. Ein Jahr zuvor ist der Badespaß im Waltroper Freibad abgesagt worden, weil das Wasser im Becken unerwartet gekippt ist.

Kontrovers werden solche Stornierungen erst dann, wenn höchst fadenscheinige Gründe angeführt werden, wie etwa 2015 in Berlin. Damals hat das Umwelt- und Naturschutzamt in Alt-Hohenschönhausen die Veranstaltung im Strandbad Orankesee mit der Begründung verboten, dass das Mitführen von Hunden auf Liegewiesen und gekennzeichneten öffentlichen Badestellen durch den Paragrafen 2 des Berliner Hundegesetzes untersagt ist. Eine unerwartet formelle Entscheidung in Deutschlands Freiheitsmetropole, die sonst eher auf Provisorien statt auf Paragraphen steht.

In Pfullingen hat die kurzfristige Absage des Bade-Events – zwei Tage vor dem geplanten Termin – noch eine andere Dimension und ein intensives Geschmäckle. Sie fußt offenbar auf einem seit über zwei Jahre währenden Konflikt zwischen dem Bürgermeister Michael Schrenk, der nach eigenen Angaben zu der Event-Absage genötigt wurde, und den Gemeinderäten, allen voran dem CDU-Stadtrat Gert Klaiber.

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Pfullingen: Geschwommen wird woanders
Bürgermeister Michael Schrenk © Schrenk

Die Fronten zwischen dem Stadtoberhaupt und seinem Stellvertreter waren so verhärtet, dass die Streitschlichtung eines Mediators nötig wurde. Im Dezember 2017 folgte dann eine rund dreimonatige Krankheit des Bürgermeisters. Im Frühjahr diesen Jahres, nach Schrenks Amtsrückkehr, sollten die Streitigkeiten angeblich wieder beigelegt sein. „Im Mai 2018 fand ein Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden im Beisein des Landrates statt“, erklärte Michael Schrenk gegenüber urban.dog. „In diesem Gespräch wurde eine Verständigung für die Zukunft herbeigeführt.“

Leider war der Frieden von nur kurzer Dauer: Der Konflikt entbrannte mit doppelter Wucht, als bekannt wurde, dass sich das Schönbergbad in Pfullingen zum Abschluss der Freibadsaison entschieden hat, das Bad am letzten Tag für Hunde zu öffnen.

Pfullingen: Alle Register gezogen

Was nämlich bei Hundehaltern auf Begeisterung stieß, löste bei anderen eine tiefe Ablehnung aus, allen voraus bei Gert Klaiber selbst, der alle Register gezogen hat, um das Hundeevent zum Platzen zu bringen. „Zunächst wollte Herr Klaiber den Bäderleiter davon überzeugen, dass das Hundeschwimmen abgesagt werden soll. Dann folgte die Vorgesetzte des Bäderleiters“, erklärte Michael Schrenk gegenüber urban.dog. „Zum Schluss kam dann ich an die Reihe.

Parallel dazu hat Herr Klaiber bei seinen Gemeinderatskollegen/innen einen „Beschluss“ herbeigeführt. Ziel des Beschlusses war ebenfalls die Absage des Events. Gleichzeitig wurde die Verlängerung der Freibadsaison ins Spiel gebracht, was ja in letzter Konsequenz auch eine Absage der Veranstaltung mit sich gebracht hätte. Und dann wurden noch die hygienischen Bedenken und das Gesundheitsamt angeführt.“

Zügel aus der Hand gegeben

Die Stadtverwaltung hat daraufhin das Gesundheitsamt beim Landratsamt Reutlingen um eine Stellungnahme gebeten. Die Meinung einer Fachbehörde einzuholen, war seitens des Bürgermeisters sicherlich eine logische Konsequenz, zum Teil hat er dadurch aber auch die Verantwortung abgegeben.

„Dadurch, dass die hygienischen Bedenken angesprochen wurden, blieb der Verwaltung nichts anderes übrig, als eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes anzufordern“, erklärte Schrenk gegenüber urban.dog “Der Inhalt dieser fachlichen Stellungnahme hat die Verwaltung und die Bäderleitung letztlich dazu veranlasst, die Veranstaltung abzusagen.“

Pfullingen: Keine Erfahrungswerte beim Gesundheitsamt

Dass die „fachliche Stellungnahme“ der Behörde nicht besonders fundiert war, beweist das Interview, das Stefan Brockmann, Leiter der Abteilung Gesundheitsschutz im Landratsamt Reutlingen, dem „Reutlinger General-Anzeiger“ (GEA) gegeben hat. Die Behörde habe sich vor ihrer Empfehlung auch beim Landes- und Bundesgesundheitsamt schlau gemacht, erklärte Stefan Brockmann.

Die Begründung für die Empfehlung lag in der Beschaffenheit und Technik von Freibädern, die auf die Nutzung durch Menschen ausgerichtet sei. „Erfahrungswerte, wie diese Technik mit möglichen Einträgen durch die Hunde zurechtkommt, gibt es nicht“, erklärte Brockmann gegenüber GEA. Jedenfalls geben die Aktenschränke der Behörden solche Erfahrungsberichte nicht her.

Bei Freibädern, die zum Teil seit Jahren ähnliche Badeevents für Vierbeiner veranstalten, gibt es solche Erfahrungswerte sehr wohl. Doch so weit reichte das Engagement der Gesundheitsbehörde, dem Sachverhalt auf den Grund zu gehen, offenbar nicht aus.

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© Hund im Freibad

Die Musik spielt hinter den Kulissen

Der Recherche-Aufwand seitens der Beamten wäre auch verschwindend gering, schließlich gibt es seit Ende 2014 die Initiative „Hund im Freibad“, die mit Tierärzten, Technikern und anderen Fachleuten zusammenarbeitet und Argumentationsgrundlagen liefern kann. Die ehrenamtliche Initiative, gegründet von Thomas Hinze und Christian Rerop, bemüht sich darum, Freibäder und Hundehalter zusammen zu bringen.

„Am Anfang waren es 30 Freibäder bundesweit, die mitgemacht haben“, erklärte Thomas Hinze. „In diesem Jahr waren es schon über 100, Tendenz steigend. Von Kontaminationsproblemen mit Fäkalien oder Krankheitsfällen während der Badesaison weiß ich nichts. Fakt ist, dass es nach den Hundeevents noch nie zu gesundheitlichen Beeinträchtigung der Menschen gekommen ist.“ Alles, was sich nicht schon in der Badesaison in den Fugen festgesetzt habe, komme nicht an einem Tag wegen der Hunde hinzu. „Anders als Menschen pullern Hunde nicht ins Wasser. Die Keime, die von Menschen hinterlassen werden, sind viel schwerwiegender als die von Hunden. Das ist kein Argument, das Event abzusagen“, so Thomas Hinze weiter.

Nach seinen Erfahrungen seien es häufig Einzelpersonen, die sich das gegen das Gemeinwohl entscheiden. „Die Konstellationen aus Gemeinde-Oberhäupten begegnen uns sehr häufig. Es passiert viel hinter den Kulissen. Es sind meist subjektive Geschichten und psychische Gründe“, meint der Mitgründer von „Hund in Freibad“. „Objektive Sachverhalte, wie hygienische Gegebenheiten, klären wir ja im Vorfeld.

Der Ehefrau letztes Wort?

Das Pfullinger Schönbergbad war der Initiative zwar nicht angeschlossen und organisierte den Hundeschwimmtag in Eigenregie, Hinzes Erfahrungen, es handele sich im Falle von Absagen meist um persönliche Animositäten, findet hier eine klare Bestätigung. Wieso war Schrenks Widersacher, Gert Klaiber so verbissen dabei, das Event abzusagen? Sein entschiedenes Vorgehen gegen den geplanten Hundeschwimmtag begründet Gert Klaiber mit zahlreichen wütenden Anrufen von Bürgern, die massive Probleme damit haben sollten, dass Hunde ins Freibad dürfen. Er habe also lediglich im Sinne der Bürger gehandelt.

Glaubwürdige Quellen aus der Umgebung Klaibers behaupten allerdings, dass es sich weniger um Einwohnerbeschwerden handelte und viel mehr um die Ehefrau des CDU-Fraktionsvorsitzenden, der Hunde im Schwimmbad sauer aufgestoßen sind. Einige „früh schwimmende Stammbadegäste, zu denen auch Frau Klaiber gehört, haben sich wohl schon bevor die Veranstaltung beworben wurde (…) in einem Café in der Innenstadt getroffen, um zu überlegen, wie man die Sache verhindern kann“, so ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung, der anonym bleiben möchte.

Ein Türchen war offen

Leider war Gert Klaiber zu keinem Zeitpunkt für ein Interview erreichbar. Ob es sich nun um ästhetische Empfindungen seiner Gattin handelte oder doch um persönliche Machtspiele zwischen dem Bürgermeister und seinem Stellvertreter, ist dahingestellt. Fakt ist, dass die Empfehlung des Gesundheitsamtes, das Hunde-Badeevent abzusagen, den Gegnern der Veranstaltung einen entschiedenen Vorteil eingebracht hat.

Fraglich ist, ob Michael Schrenk standhaft geblieben wäre, wenn das Gesundheitsamt keine Bedenken geäußert hätte. Gert Klaiber hätte sicherlich nicht kampflos aufgegeben. Allerdings stand Schrenk – die negative Stellungnahme der Behörde in der Hand – mit dem Rücken zur Wand. Führt man sich das lange Tauziehen und den öffentlich ausgetragenen Konflikt beider Parteien vor Augen, wundert es kaum, dass der Stadtoberhaupt klein beigegeben hat. Ein Hundeschwimm-Event – bei aller Liebe für die Vierbeiner und bei allem Respekt für die steuerzahlenden Hundehalter – ist gesellschaftspolitisch nicht wichtig genug, um dafür in die Schranken zu treten.

Auf der anderen Seite ließ die Empfehlung des Gesundheitsamtes die Tür einen Spalt weit offen. „Sofern sich die Stadt Pfullingen dennoch dafür entschieden hätte, das Hundeschwimmen zu veranstalten, wäre es aus fachlicher Sicht erforderlich gewesen, durch eine umfassende Prüfung der Anlagen und der Wasserqualität vor der nächsten Inbetriebnahme sicherzustellen, dass eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann“, so Stefan Brockmann im Gespräch mit dem „Reutlinger General-Anzeiger“.

Freibäder werden gründlich gereinigt

Die Bedingung war allerdings gar nicht nötig. Alle Bäder in Deutschland werden vor dem Saisonstart komplett gereinigt. Es gibt Anlagen, die das Wasser ablassen, und solche, wo das Wasser nach dem Saisonende im Becken bleibt, um die Fliesen vor dem Frost zu schützen. Dort wird ins Wasser Frostschutzmittel hinzugegeben. In beiden Fällen werden die Anlagen vollständig gereinigt, bevor die Becken mit frischem Wasser befüllt werden. Dazu sind die Bäder gesetzlich verpflichtet. Nach dem Infektionsschutzgesetz müssen öffentliche Schwimmbäder in Deutschland so beschaffen sein, dass eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, allen voran durch Krankheitserreger, nicht zu befürchten ist.

Die Anforderungen für die Wasseraufbereitungsanlagen, wie regelmäßige Kontrollen der Wasserqualität sowie Maßnahmen, die bei Belastung ergriffen werden müssen, sind in der DIN 19643 zusammengefasst. Die Norm gilt nicht erst seit der Einführung der Hundeschwimmtagen. Sind die Pfullinger Parasiten und Krankheitserreger denn besonders resistent? Sicherlich nicht, das wäre ein biologisches Phänomen. Auf Anfrage schätzt Michael Schrenk seine Stadt auch nicht als hundeunfreundlich ein. Und trotzdem haben sich hunderte Hundehalter veräppelt und für dumm verkauft gefühlt.

Pfullingen: Die Absage in den sozialen Medien

Der Unmut darüber hat seinen Ventil in den sozialen Medien gefunden. Ein Beitrag von Simone Braun, Geschäftsführerin von Vawidoo, dem Reiseportal für Urlaub mit Hund, wurde 268 Mal geteilt und bekam 146 Kommentare (Stand: 19.09.18), zu 98% von Befürwortern des Hundesschwimmtages. Ein Zeichen dafür, dass das Thema viele Menschen bewegt. „Dass Herr Klaiber politische Spielchen im Streit mit dem Bürgermeister auf dem Rücken der hundesteuerzahlenden Hundehalter austrägt, ist unsäglich und unerträglich“, schreibt Simone Braun auf Facebook. „Leider hat der Pfullinger Bürgermeister ohne ersichtlichen Grund, denn einen Gemeinderatsbeschluss hat es nicht gegeben, die Aktion „Hundeschwimmen“ abgesagt. Ein Politiker mit Rückgrat, das wäre schön.“

Besonders bitter bleibt die Tatsache, dass ein Badetag für Hunde lediglich 40 Kilometer weiter, im Freibad Böblingen, keinerlei negativen Emotionen ausgelöst hat. Bereits zum zweiten Mal in Folge – wegen der überwältigen Resonanz – durften sich Hund und Herrchen am 15. September beim Hundeschwimmtag sorgen- und keimfrei austoben. Für Pfullingen ist das Pfui. Geschwommen wird wo anders.

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