Sechs Wolfmischlinge lassen in Thüringen die Emotionen hochkochen. Denn sie haben nach Ansicht von Artenschützern den falschen Vater. Der Abschuss der Tiere liegt auf dem Tisch, der Vater ist ein Hund.
Erfurt – Sie sind gerade einmal fünf Monate alt. Trotzdem wird schon über ihr Ableben diskutiert. Eine Wölfin hat im ersten ausgewiesenen Wolfsgebiet Thüringens rund um den Bundeswehrübungsplatz Ohrdruf Nachwuchs bekommen. Doch weil ihr Vater kein Wolf, sondern ein Haushund sein soll, werden die sechs Jungtiere zu einem Problem für den Artenschutz und angeblich auch für den Menschen. Deshalb stehen sie nun potenziell auf einer Abschussliste.
Vermischung der Wolf- und Hundegene gefährden Wolfpopulation
Deshalb empfahl das bundeseigene Dokumentations- und Beratungszentrum zum Wolf (DBBW) dem Thüringer Umweltministerium ein schnelles Töten der Jungtiere, denen der Labrador-Vater durch das schwarze Fell auch anzusehen sein soll. Der Aufschrei war groß. Weit über 10 000 Unterschriften haben Abschussgegner inzwischen mit einer Online-Petition gesammelt. In den Medien, im Landtag, auf der Arbeit und unter Freunden debattieren die Thüringer mitunter aggressiv, was mit den Tieren passieren sollte.
Jäger aus der Ohrdrufer Umgebung berichten im Zusammenhang mit dem Fall über anonyme Morddrohungen gegen sie im Internet. Dabei ist der Abschuss noch keine beschlossene Sache – und schon gar nicht, ob dann Jäger diese Aufgabe übernehmen müssen. Nach Auffassung des Umweltministeriums müssten die Jungtiere nicht zwangsläufig getötet werden. Sie sollten aber auf alle Fälle „entnommen“ werden, also aus der Natur verschwinden. Doch auch Abschuss-Alternativen sehen sogar Naturschützer problematisch.
Abschuss, Gehege oder Privatunterbringung ?
„Einen Freilicht-Zoo mit Hybriden wollen wir nicht“, sagt Silvester Tamás, Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf beim Nabu Thüringen. Der Naturschutzbund stelle sich hinter die Experten des DBBW. Es gehe dem Verband um Artenschutz und die Akzeptanz des Wolfs in Deutschland. Die Tiere einzufangen und in einem Gehege zu halten, sei keine tierschutzgerechte Alternative. Das zeige die Geschichte der sächsischen Großtante der Ohrdrufer Wölfin, sagt Tamás. Einige ihrer Mischlingswelpen wurden gefangen und in ein Gehege gebracht – die anderen wurden nie wieder gesehen. Die Hybriden litten derart unter der Gehegehaltung, dass sie dann doch getötet wurden. Vor diesem Hintergrund prüft das Umweltministerium auch Angebote von qualifizierten Privatleuten, die Wolfsmischlinge aufzunehmen.
Abschuss nicht vereinbar mit Tierschutzrecht
Tierrechtler halten derweil das Argument des Artenschutzes insgesamt für vorgeschoben. Ein Abschuss sei nicht mit dem Tierschutzrecht zu vereinbaren, heißt es bei PETA. Die von der Organisation und Abschussgegnern vorgeschlagene Option, die Tiere zu sterilisieren und wieder frei zu lassen, löst aber ein weiteres Grundproblem nicht. „Niemand weiß so recht, wie sich die Mischlinge im Bezug auf Menschen verhalten werden – vor allem nicht nach einer Kastration oder Sterilisation“, sagt der Sprecher des Umweltministeriums, Tom Wetzling. Durch das Haushund-Gen könnten sie die Scheu vor Menschen verlieren. Dennoch blieben sie potenziell gefährliche Wildtiere.
Das Ministerium nehme das Anliegen ernst, die Wölfin und ihren Nachwuchs zu schützen, betont die Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne). „Klar ist: Die Verantwortung für ein unkalkulierbares Risiko für Mensch und Tiere kann nicht einfach so übertragen werden.“ Zudem heizt der Nachwuchs die Diskussion um den Wolf in Thüringen an. Viehhalter gehen davon aus, dass die „alleinerziehende“ Wölfin, um den Nachwuchs und sich selbst auf möglichst leichte Art zu ernähren, Dutzende Schafe und Ziegen gerissen hat, statt Wild zu jagen.
Indizien sprechen für die Theorie. Doch nur in einigen Fällen konnte die Wölfin per Genanalyse eindeutig als Verursacherin zugeordnet werden. Thüringens Schäfer jedenfalls klagen über Existenznöte, die die Wölfin und ihr Nachwuchs noch verschärften. Der Schutz ihrer Herden werde quasi unbezahlbar.
Mensch ist Schuld an den Hybriden
Einig sind sich derweil alle Diskutanten bei einem Punkt: Der Mensch habe die Hybriden erst möglich gemacht. „Wegen Zerschneidung der Landschaft durch Siedlungen und Autobahnen kann es anderen Wölfen schwerfallen, nach Ohrdruf zu kommen“, sagt Nabu-Wolfexperte Tamás. Aber auch den Hundebesitzern vor Ort werden Vorwürfe gemacht. Sie sollten ihre Vierbeiner besser kontrollieren, dürften sie im Wald nicht frei laufen lassen, monieren auch Jäger.
Über das Schicksal der Mischlinge muss letztlich die höchste Thüringer Naturschutzbehörde entscheiden. Das Landesverwaltungsamt muss nämlich das OK für einen wie auch immer gearteten Sonderantrag auf „Entnahme“ des Umweltministeriums bewilligen. Dabei muss die Behörde dann auch das Tierschutzgesetz im Blick haben – mit dem Satz: