Manuela und Dirk Schäfer laufen gegen Rassismus, Ausgrenzung und Hetze: Es ist kein Quali-Lauf, kein Rennen auf Zeit, viel mehr ein stilles Walken quer durch Deutschland, von der dänischen Grenze bis nach München. Ein Monat lang für eine gute Sache. Bei diesem Protest geht es nicht um religiöse Überzeugungen oder sexuelle Minderheiten, sondern um Hunderassen, die in vielen Bundesländern auf dem Index stehen.
Genau genommen sind es 1185,1 Kilometer, die Manuela und Dirk Schäfer auf ihrem Protestmarsch zurücklegen. Aber auch 1000 Kilometer wären mehr als genug, um auf ein wichtiges gesellschaftliches Thema aufmerksam zu machen. Und medienwirksamer ist ein Tausender allemal. Mit ihrer Aktion wollen die beiden Tierschützer auf die Rasselisten hinweisen, die in einigen Bundesländern gelten, aber kein geeignetes Mittel sind, um Beissvorfälle zu vermeiden.
„Jeder, der sich einen Hund in Deutschland anschafft, soll den Hundeführerschein machen, ohne Ausnahme. Die Rasselisten gehören abgeschafft.“
Statt bestimmte Hunderassen anzuprangern, setzt sich das Ehepaar aus dem Großraum Hannover für einen Sachkundenachweis ein, der für alle Hunde gilt, auch „für die kleinen Sofapupser“, so Dirk. „Jeder, der sich einen Hund in Deutschland anschafft, soll den Hundeführerschein machen, ohne Ausnahme. Die Rasselisten gehören abgeschafft.“
Beißstatistiken belegen Versagen von Rasselisten
Die Beißstatistiken der letzten Jahre belegen eindeutig, dass die Rasseliste kläglich versagt hat: Weder ist die Zahl der Beißvorfälle zurückgegangen noch führen die Listenhunde das Ranking an. Ihr Anteil an den Beißvorfällen bleibt sogar auffällig gering. 2017 sind beispielsweise in Brandenburg 257 Menschen durch Hundebisse verletzt worden, am häufigsten durch Mischlingshunde und Deutsche Schäferhunde. Platz zwei der berüchtigten Statistik belegt Labrador Retriever und andere Schäferhund-Arten, gefolgt von Dackel und Rhodesian Ridgeback.
Im gleichen Zeitraum in Hamburg sind ebenfalls Mischlinge am häufigsten auffällig geworden, dicht gefolgt von Labrador Retriever. In Schleswig Holstein waren Mischlinge, Schäferhunde, Jack Russel Terrier und Labradore an der Spitze der Beißstatistik im gleichen Jahr. Ähnlich fallen die Beißstatistiken anderer Bundesländer aus. Kurzum: Die Rassezugehörigkeit lässt keine Schlüsse auf die Gefährlichkeit eines Hundes ziehen und trotzdem halten die Landesregierungen der Bundesländer, in denen eine Rasseliste exisiert, hartnäckig an ihren Hundeverordnungen fest.
Kampfhunde in den Medien: Gelebter Rassismus
“Schwere Beißvorfälle gibt es nicht nur mit der Beteiligung von sogenannten Kampfhunden, wie sie in den Medien gern genannt werden“, erklärt Dirk. „Hunde anderer Rassen sind mindestens genauso häufig, wenn nicht viel häufiger auffällig, die Fälle werden aber nicht so aufgebauscht. Was Medien und Politik aus dem Thema machen, ist gelebter Rassismus. In den letzten Jahren war es wieder etwas ruhiger um die Listenhunde geworden, bis im April 2018 der Chico durch die Presse ging.“
„Was Medien und Politik aus dem Thema machen, ist gelebter Rassismus“
Erwiesenermaßen seien an den Beißunfällen nicht die Hunde schuld, sondern meist die Besitzer. „Deshalb sollten keine Rassen durch Listen verbannt werden“, so Dirk. „Statt dessen sollen die Halter einen adäquaten Nachweis erbringen, dass sie mit ihrem Hund, egal welcher Rasse, kompetent umgehen können“. Und dafür läuft das Ehepaar, zusammen mit anderen Hundehaltern, die sich streckenweise dazu gesellen, ihre 32 Tage lange Route von Deutschlands Norden in den Süden.
1000 Kilometer gegen Rasselisten:
Laufen für Gerechtigkeit
Geht es nach ihrem Wunsch, so soll der Protestmarsch weitreichende Folgen für die deutsche Hundewelt haben. Manuela und Dirk Schäfer wollen, dass die Hundegesetze nicht mehr in den Ländern gemacht werden, sondern bundesweit als einheitliche Hundeverordnung der Bundesrepublik Deutschland gelten. Die Hannoveraner setzen sich auch für eine bundesweite Chip- und Meldepflicht aller Rassen ein. Als engagierte Tierschützer wollen sie auch ein Verbot für Hundehandel im Internet erwirken. „Sowohl die Zucht als auch damit verbundener Handel müssen nur noch mit Genehmigung und Kontrolle der Veterinärämte zugelassen werden“, sagt Dirk.
Auf ihrer Route hätten die Ideengeber zahlreiche engagierte Menschen getroffen, gerade die Tierheime leisteten eine enorm wichtige Arbeit. Die Politik habe die Initiatoren aber bitter enttäuscht. „Wir haben Politiker gezielt angeschrieben, jedes Mitglied im Landwirtschaftausschuss, das zugleich für den Tierschutz zuständig ist, haben wir eingeladen, doch von keinem kam eine Antwort“, erzählt Dirk. „Von den Hundehaltern selbst hätten wir uns auch mehr Engagement gewünscht, die Aktion ist seit einem Jahr in den sozialen Medien beworben worden.“
1000 Kilometer gegen Rasselisten: Ziel München
Am Samstag, den 1. Juni 2019 läuft das hundeerfahrene Paar ihre letzte, 23 Kilometer lange Strecke, begleitet von ihren zwei Rottweilern Sina (7 Jahre) und Ares (7,5). „Mehr Urlaub als die 32 Tage haben wir nicht bekommen“, erklärt Dirk. „Vielleicht laufen wir in der Zukunft aber mal eine Ost-West-Strecke.“ Vielleicht zeigt die Politik dann auch mehr Interesse, statt sich gekonnt zu ducken.
Nur leider gehört die Rasseliste nicht gerade zu den Themen, mit denen man einen Wahlkampf bestreitet. Schon gar nicht dann, wenn man sie abschaffen will.
Video zu 1000 Kilometer gegen Rasselisten
Tiere suchen ein Zuhause hat die beiden auf der Strecke besucht und im Livestream interviewt. Um das Video optimal zu schauen geht bitte in Vollbildmodus.