Tierische Kameraden helfen seelisch verletzten Soldaten: Die Bundeswehr bildet nun auch Therapiebegleithunde aus. Zugleich spüren die Vierbeiner weiterhin Minen und Sprengstoff auf. Wie arbeitet die einzige Diensthundeschule der Streitkräfte?
Therapiebegleithunde wie Yoko sind neugierig und verspielt. Yoko hat Schwarzes Fell und wedelnder Schwanz: Unbefangen nähert sich die Labradorhündin Soldaten mit Existenzsorgen, Offizieren mit Eheproblemen und Angehörigen getöteter Kameraden. Yoko und der zweite Labrador Teddy sind die ersten vierbeinigen Sozialarbeiter der Bundeswehr – geführt von zweibeinigen Experten ihres Sozialdienstes.
Sozialdiensthunde im Einsatz als soziale Eisbrecher
Ausgebildet hat die Tiere die abgelegene einzige Diensthundeschule der deutschen Streitkräfte mitten im Wald bei Ulmen in der Eifel. Dort ist Kommandeurin Christiane Ernst mit dem Pilotprojekt der „Hundegestützten Sozialarbeit“ überaus zufrieden: „Diese Sozialdiensthunde funktionieren mit sehr gutem Erfolg als soziale Eisbrecher. Sie erobern die Herzen im Sturm.“ Eine Ausweitung des Projekts sei im Gespräch.
Therapiebegleithunde helfen bei posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)
Ebenfalls neu: Therapiebegleithunde für Soldaten, die mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) aus Auslandseinsätzen zurückkehren, etwa nach dem Anblick von Terroropfern oder einer Explosion. Gemeinsam mit dem Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz hat die Diensthundeschule dafür ein Konzept erarbeitet.
„Auch hier sind die Erfolge beeindruckend“, sagt die promovierte Tierärztin Ernst. „Diese Hunde haben bei dem einen oder anderen seelisch verletzten Kameraden wieder die Tür zum Leben aufgestoßen.“ Die Ergebnisse dieses zweiten Pilotprojekts sollen im April vorliegen. Auch hier könnte es eine Fortsetzung geben.
PTBS ist eine psychische Krankheit. Oft kommt es zum Gefühl von Hilflosigkeit und zur Erschütterung des Ich- und Weltverständnisses. „Viele empfinden da gerade den Körperkontakt mit unseren Hunden als angenehm“, sagt Ernst. „Dabei werden bestimmte Hormone ausgeschüttet, die Stress senken können. Der unbelastete spielerische Umgang mit Hunden ist gut für das Selbstbewusstsein.“
Insgesamt 20 Labradore und Schäferhunde hat die Diensthundeschule zusätzlich für diese besondere Therapie ausgebildet. Einmal in der Woche sind zehn Soldaten mit PTBS vom Bundeswehrzentralkrankenhaus angereist, um mit je einem vierbeinigen Kameraden und seinem Diensthundführer einen halben Tag zu verbringen, etwa mit Suchspielen, Gassigehen oder Fährtensuche – nicht aber mit Kampfspielen. „Manche haben auch ihren Hund gebadet und sein Fell gepflegt. Oder ihn auf einer Picknickdecke auf den Schoss genommen“, berichtet Kommandeurin Ernst.
300 Hunde hat die Bundeswehr weltweit im Einsatz
Andere Aufgaben haben die bellenden Helfer schon seit Jahrzehnten: Die Streitkräfte setzen sie als Schutz-, Sprengstoff-, Rauschgift-, Minen- oder Kampfmittelspürhunde bei den Feldjägern, den Fallschirmjägern, den Pionieren, in der Luftwaffe und beim Kommando Spezialeinsatzkräfte ein – auch im Ausland, etwa in Afghanistan und Mali. Rund 300 Hunde hat die Bundeswehr weltweit im Einsatz – weil sie eine viel feinere Nase haben als ihre Spezialhundeführer, bei denen sie Tag und Nacht leben. Und weil sie auf Befehl zupacken können.
1958 wurde die Diensthundeschule in Koblenz-Bubenheim gegründet – und 1997 wegen Platzmangels in ein ehemaliges Munitionsdepot der Bundeswehr in die Eifel bei Ulmen verlegt. Dort verteilen sich 51 Bunker mit schweren Stahlschiebetoren auf 68 Hektar Wald. Innen drin haben Soldaten Szenarien zum Trainieren der Hunde nachgebaut, etwa Gleisanlagen, Lagerräume, Kanalsysteme, einen Markt- und einen Schrottplatz, Wohnungen und zerstörte Häuser.
Im Bunker B 35 flitzt Hündin Adventure auf eine Drohne am Boden zu, vorbei an einem Flakgeschütz und einer Hausruine. Sie wedelt mit dem Schwanz, schnüffelt an der Drohne – und findet das Sprengstoffpräparat, das Stabsfeldwebel Jens Nähring versteckt hat. Der Diensthundeführer belohnt Adventure mit dem „Bringsel“, einem Jute-Spielzeug, auf dem die Belgische Schäferhündin begeistert herumkaut. „Wir trainieren das auch auf verschiedenen Böden. Die Hunde müssen sich zum Beispiel an unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten oder aber Staubentwicklung gewöhnen, erklärt Nähring.
Mit einem Laserpointer lässt er einen grünen Punkt an einer Wand tänzeln. „Wir trainieren auch, Hunde auf Abstand zu führen, zum Beispiel zu einem verdächtigen Fahrzeug.“ Das verringere das Risiko für die Soldaten bei einer Sprengstofffalle. Zusätzlich gewöhnen die Ausbilder die Hunde an verschiedene Umgebungen etwa bei Ausflügen zum Hauptbahnhof oder ins Stadtzentrum von Koblenz.
Wir kümmern uns auch um die Gnadenbrötler
Insgesamt rund 100 militärische und zivile Mitarbeiter hat die Hundeschule im Wald. Sie verfügt über eine eigene Aufzucht und eine Diensthundeklinik. Seit den Terroranschlägen 2001 in den USA kaufen verschiedene Sicherheitsbehörden den europäischen Markt guter Spezialhunde leer, wie Kommandeurin Ernst erläutert. „Mit unserer eigenen Zucht versuchen wir, autark zu werden. Letztes Jahr haben wir mehr als 30 Hunde aufgezogen.“ Einige werden auch gekauft.
Schon von klein auf werden die Welpen an unterschiedliche Umweltreize und Geräusche gewöhnt, zum Beispiel von Schusswaffen, Helikoptern und Flugzeugen. Sobald sie erwachsen sind, dauert ihre aufwendige Ausbildung gemeinsam mit ihrem Diensthundeführern neun bis zwölf Monate. Im Durchschnitt sind die Spezialhunde sechs Jahre für das Wohl von Soldaten im Einsatz.
Werden sie krank, kommen sie in die voll ausgerüstete Klinik mit zwei Operationssälen, Röntgengeräten, Apotheke, Behandlungsräumen und einem Unterwasserlaufband zur Stärkung der Muskulatur. „Wir haben offene Sprechstunden und für Operationen feste Termine“, erklärt Leiterin Susanne Hartmann. „Angekaufte Hunde durchlaufen eine Quarantäne. Sie sollen keine infektiösen Krankheiten reintragen.“ Auch kranke Hunde im Ruhestand kommen in die Klinik. Die promovierte Tierärztin Hartmann versichert: „Wir kümmern uns auch um unsere Gnadenbrötler.“