Für sehbehinderte Menschen ist ein ausgebildeter Blindenführhund zweierlei: Hilfsmittel und Freund. Bei der Auswahl von beidem sind Wissen, Geduld, Sorgfalt und Bauchgefühl entscheidend. Ein Leitfaden.

Die Ausbildung

Die Ausbildung eines Hundes zum Blindenführhund dauert in der Regel sechs bis acht Monate. Doch bevor die Ausbildung beginnen kann, steht die Prüfung seiner Gesundheit und seiner charakterlichen Eignung im Vordergrund. Eine umfassende veterinärmedizinische Begutachtung und ein etwa vierwöchiger wesensspezifischer Eignungstest, im Zuge dessen der Hund mit diversen Umweltsituationen konfrontiert wird, sind hierfür unabdingbar.

Ausbildung zum Blindenführhund durch positive Verstärkung im Video:

Unter Berücksichtigung der individuellen Wesenszüge und Fähigkeiten des Hundes, werden ihm während der Ausbildung zum Führhund mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad mehr als dreißig verschiedene Hörzeichen beigebracht. Er wird auf das Suchen und Anzeigen von Bürgersteigen, von Treppen, Lifts, Türen, Ausgängen und Ruhebänken, auf das Benutzen von Zebrastreifen und Fußgängerampeln sowie das Finden von Haltestellen und das Assistieren beim Ein- und Aussteigen in Verkehrsmittel geschult.

Darüber hinaus erlernt der Hund die Technik der intelligenten Verweigerung, durch die er befähigt wird, in Gefahrensituationen wider den Anweisungen seines Begleiters zu handeln und alternative, sicherere Wege zu suchen und zu gehen.

Wesentlich für die Ausbildung ist die Umstellung des Hundes von der instinktiven vorrangigen Nutzung seines Geruchs- und Gehörsinns zur Nutzung seines Sehsinns. Hierbei ist der Lernerfolg am höchsten, wenn während der Ausbildung die individuellen Stärken des Hundes gezielt gefördert und erweitert werden und er durch positive Verstärkung und Erfolgserlebnisse motiviert wird, eigenständige und zielorientierte Entscheidungen zu treffen.

Die Ausbildung wird als erfolgreich abgeschlossen betrachtet, wenn der Hund seinen Begleiter verlässlich durch komplexe Alltagssituationen führen kann.

Die Schule

Eine passende und seriöse Schule zu finden, die einen Hund zum Blindenführhund ausbildet und diesen verkauft, ist wesentlich. Eine ganze Reihe an Fragen sollten gestellt und überdacht werden:

  • Handelt es sich ausschließlich um eine Blindenführhunde-Schule oder generell um eine Hundeschule?
  • Wie lange gibt es die Schule bereits?
  • Kann die Schule einen Qualitätsnachweis durch Blindgänge vorlegen?
  • Kann die Schule Mitgliedschaften z.B. im Deutschen Blindenführhundschulen e.V. oder in der International Guide Dog Federation vorlegen?
  • Arbeitet die Schule mit anderen Schulen zusammen?
  • Unterstützt die Schule bei der Antragstellung für einen Blindenführhund?
  • Wie viele Hunde bildet der Ausbilder zeitgleich aus?
  • Wie lang dauert die Ausbildung?
  • Wie viel kostet der ausgebildete Hund? (Der europäische Durchschnitt liegt bei 33000 Euro, wobei diese Kosten von Krankenkassen größtenteils übernommen werden)
  • Wie problemlos gelingt das Erreichen und Kommunizieren mit der Schule?
  • Lässt sich Kontakt zu anderen Führhundhaltern der Schule aufnehmen?
  • Besteht Sympathie zu den Ausbildern?
  • Wie transparent macht die Schule ihre Haltungsbedingungen und die Ausbildung?
  • Sind Hunde direkt vor Ort?
  • Gibt es die Möglichkeit der Ausbildung des Hundes beizuwohnen?
  • Wie viel Wartezeit auf einen Hund muss ich einplanen?
  • Ist die Herkunft des Hundes transparent?
  • Wie (auch theoretisch fundiert) wird die Einarbeitung zwischen Hund und Halter gestaltet?
  • Wie wird die Nachbereitung gestaltet?
  • Werden meine Bedürfnisse, Fähigkeiten und Lebensverhältnisse thematisiert?
  • Wird mein Mobilitäts- und Orientierungsvermögen getestet?

Der Blindenführhund

Der im Mai 1993 vom Bundesministerium für Gesundheit veröffentlichte Katalog von Qualitätskriterien für Blindenführhunde fasst die Funktion und die Voraussetzungen eines potentiellen Blindenführhundes gut zusammen:

Blindenführhund ein Hilfsmittel […]. Sie sollen einem blinden oder hochgradig sehbehinderten Versicherten eine gefahrlose Orientierung sowohl in vertrauter als auch in fremder Umgebung gewährleisten. […] Für die Aufnahme in die eigentliche Blindenführhund-Ausbildung sind grundsätzlich nur Hunde vorzusehen, die mindestens ein Jahr, höchstens zwei Jahre alt sind; die Schulterhöhe soll mindestens 50 maximal 65 cm betragen. Es muss sich um friedfertige, intelligente, wesensfeste, nervenstarke, arbeitsbelastbare und gesunde Junghunde handeln, die nicht aus Massenzuchten stammen oder vom gewerblichen Tierhandel oder von Tierheimen erworben wurden. Sie sollen im engen Verbund mit Menschen aufgewachsen und entsprechend sozialisiert sein. Der vom Ausbilder zu liefernde Herkunftsnachweis des Junghundes muss auch eine vor Aufnahme in die Blindenführhund-Ausbildung begonnene Schutzhundausbildung oder -abrichtung zweifelsfrei ausschließen.

Für die Ausbildung zum Blindenführhund kommen sowohl Rassehunde als auch Mischlingshunde männlichen und weiblichen Geschlechts in Betracht. Rassetypisch zur Aggressivität neigende Tiere (z.B. Mastino, Doberman, Rottweiler) sowie Aggressive Junghunde anderer Rassen dürfen nicht als Blindenführhunde ausgebildet werden. 

Bei Aufnahme in die Blindenführhund-Ausbildung muss durch ein tierärztliches Attest, das nicht älter als drei Monate sein darf, die Gesundheit des Hundes nachgewiesen sein; er muss insbesondere über eine intakte Wirbelsäule und intakte Gelenke verfügen sowie frei von Hüftgelenksdysplasie (HD) und schwerwiegenden Augenerkrankungen (z.B. Progressive Retina Atrophie) sein.“

Die Menschen

Doch nicht nur der Hund, auch der Mensch muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um „der Richtige“ für einen Blindenführhund zu sein. Dafür muss als erstes ein Attest vom Augenarzt und ein ausreichendes Maß an Orientierung und Mobilität vorliegen. Erst dann stellt sich die Frage, ob das soziale, berufliche und lokale Umfeld stimmt. Genau wie andere Hundehalter sich für das Leben mit einem Hund und den damit einhergehenden Umstellungen und Kompromissen entscheiden müssen, muss das auch ein sehbehinderter Mensch tun. Auch für ihn ist es wichtig, seine Lebensbedingungen und seinen Lebensrhythmus den Bedürfnissen des Hundes anzupassen, dass Temperament und Wesen des Hundes mit dem eigenen Charakter korrelieren und dass er bereit für eine emotionale Bindung ist.

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