Mit Genetik auf Rassensuche? Ganz genau! Was vor 20 Jahren in der Hundebranche noch undenkbar war, hat sich heute langsam in den Alltag eingeschlichen: die Rassenbestimmung beim Hund. Ein DNA-Test kann das Rassenwirrwarr des geliebten Mischlings, der immer häufiger aus dem Tierschutz kommt, entknoten und dem Halter etwas mehr von seinem Vierbeiner verraten.
Eine DNA-Analyse bei ihrem Hund machen aber auch oft Halter der diskriminierten Rassen, denen der Gesetzgeber eine angeborene Aggressivität nachsagt. In dem Fall soll ein Gentest optimalerweise möglichst wenig von den in Verruf geratenen Genen nachweisen und als Folge behördliche Erleichterungen nach sich ziehen, wie etwa Befreiung von der Maulkorb- oder Leinenpflicht. Doch wie sinnvoll und zuverlässig ist ein DNA-Test beim Hund?
Wir haben drei Anbieter unter die Lupe genommen – Canix, Feragen und Galantos – und die Abstammung bei unserem Redaktionshund Pablo erforschen lassen, einem 2,5-jährigen Ex-Straßenhund aus Spanien.
„Was ist da alles drin?“ – solche oder ähnlich formulierte Fragen beschäftigen regelmäßig Hundehalter, die die „Zusammensetzung“ ihrer eigenen oder fremden Vierbeiner nach der reinen Optik zu erraten versuchen. Manchmal ist die Frage nach der Rassenzugehörigkeit der reinen Neugier geschuldet. Nicht selten aber wollen die Halter durch die Rassenbestimmung auf den Ursprung von bestimmten Verhaltensweisen ihrer Lieblinge kommen, besonders dann, wenn die reine Optik kaum sinnvolle Schlussfolgerungen zulässt.
Erziehungsprobleme lassen sich mit einem Rassentest zwar nicht beseitigen, aber besser anpacken, wenn man schwarz auf weiß bescheinigt bekommt, dass der Fiffi seine Sturheit einem Terrier in der Ahnentafel verdankt oder der Rottweiler-Mix seine Leichtfüßigkeit einem Galgo. Besonders vorausschauende Menschen entscheiden sich für einen DNA-Test prophylaktisch, im Vorfeld einer Adoption – um späteren Überraschungen aus dem Weg zu gehen und den Bedürfnissen ihres künftigen Begleiters auch gerecht zu werden. Ein Jäger stellt einen ja schon vor andere Herausforderungen als ein Couchpotato.
„Viele Halter nutzen die DNA-Analyse, um dem teuren Wesenstest vorzubeugen“
Sonderfall: Listenhunde
Ein Rassen-Test macht besonders beim Verdacht auf die Zugehörigkeit zu einer der „unpopulären“ Rassen einen Sinn. „Viele Halter nutzen die DNA-Analyse, um dem teuren Wesenstest vorzubeugen“, erklärt Martin Schatzl, Geschäftsführer der Galantos Genetics GmbH. „Ordnungsämter verpflichten Halter oft zum Wesenstest, der je nach Wohnort zwischen 300 und über 1000 Euro kosten kann und auf einer äußerlichen Beschau durch den Veterinär basiert. Die Tierärzte sind zweifelsohne gut, aber nicht unfehlbar. Der Test ist zwar ebenfalls nicht hundertprozentig sicher, schaut aber ganz neutral auf die Gene und nicht auf Äußerlichkeiten.“
Mittlerweile gibt es aber auch progressivere Ämter, die den Haltern von Listenhunden einen DNA-Test statt einer Wesensprüfung auferlegen. „Dabei bekommen nur die Auftraggeber – also die Hundehalter – das Ergebnis“, betont Michael Geretschläger, CEO von Feragen. „Wir sind nicht verpflichtet, Ämtern, Behörden oder Zuchtverbändern die Ergebnisse solcher Tests mitzuteilen. Was unsere Kunden mit den Zertifikaten machen, liegt ganz bei ihnen.“
Ein solcher Rassennachweis – vorausgesetzt, er fällt zu Gunsten des jeweiligen Hundes – könnte auch beim Grenzübertritt relevant sein. „Möchte man beispielsweise nach Dänemark reisen, ein Hund – je nach Rasse – darf aber nicht über die Grenze, kann das Gutachten helfen, um dem Zoll vorzuweisen, welche Rassen konkret durch einen DNA-Test nachgewiesen wurden“, erklärt Martin Schatzl von Galantos. „Sonst entscheidet ja nur der spontane und subjektive Eindruck des Zollbeamten vor Ort.“
Wie funktioniert der DNA-Test?
Bei unserem 12 Kilo schweren, bisquitfarbenen Wuschelkopf Pablo dürfte wohl kaum ein Zollbeamter ins Grübeln kommen. Wir haben uns aber schon öfters gefragt, welche Rassen denn in dem Sonnenschein vom Hund überhaupt stecken. Der DNA-Test sollte den Zweifeln endlich ein Ende setzen.
Doch wie funktioniert er? Erstaunlich einfach. Alle drei von uns getesteten Labore – Canix, Feragen und Galantos – arbeiten mit Speichelproben zur Ermittlung der Rassenzugehörigkeit der Hunde. Es reicht also, die zwei mitgelieferten Wattetupfer an der Innenbacke des Hundes, zwischen Zahnfleisch und Lefzen zu reiben: das eine Bürstchen an der rechten, das andere an der linken Seite. Dann, getrennt voneinander, lässt man die Stäbchen etwa zehn Minuten lang trocknen. Anschließend nur noch einpacken, wegschicken und warten.
Hier ist etwas Geduld nötig: Alle getesteten Anbieter brauchen ähnlich lang, bis das Ergebnis ins Haus flattert: gute vier Wochen. Die lange Wartezeit – diese kann sich auch bis zu sechs Wochen ziehen – hat einerseits mit dem aufwändigen Testverfahren zu tun, andererseits aber auch mit der Auslastung der Labore: Eine DNA-Analyse beim Hund scheint gerade zu boomen.
Hunde-Gentest im Labor
Doch was passiert mit den Tupfern im Labor? Zuerst werden die entnommenen Speichelproben chemisch und physikalisch bearbeitet, um die DNA aus den Körperzellen herauszulösen. Der Mitarbeiter fügt der Probe auch die sogenannten Primer Moleküle hinzu, die an ausgewählten Teilen der DNA haften bleiben. Um eine analytisch messbare Menge zu erhalten, werden die durch die Primer markierten DNA-Abschnitte geklont, also ordentlich vervielfacht.
Anschließend untersucht man die Proben nach verschiedenen Genmarkern, die verantwortlich für ein bestimmtes rassetypisches Merkmal sind: Dieses Verfahren nennt man Typisierung. Beim Typisieren grenzt der Laborant – oder vielmehr eine Analysesoftware – die Marker so weit voneinander ab, bis die größtmögliche Übereinstimmung mit den in der Datenbank vorhandenen Markern erreicht wird.
DNA-Test: Grau statt Schwarz-Weiß
Das ganze Verfahren basiert auf einer Wahrscheinlichkeitsrechnung und ist desto präziser und zuverlässiger, je mehr Genmarker in der Datenbank vorhanden sind. Die Analysesoftware vergleicht die vorhandenen Marker mit den gelieferten Proben und bestimmt, welche der erfassten Rassen am besten passen.
„Ein Schäferhund aus Österreich unterscheidet sich genetisch von einem aus den Staaten.“
Die Rassebestimmung ist leider nicht schwarz oder weiß. „Damit ein Rassetest im Labor hundertprozentig treffsicher sein könnte, müsste man alle existierenden Rassen in der Datenbank haben“, erklärt Martin Schatzl. Zurzeit verfügen die meisten Labore über 235 bis 282 Rassen, darunter befinden sich aber auch die Varianten derselben Rassen, wie etwa lang und kurzhaarig, glatt oder Rauhaar. „Der Test gibt einen Aufschluss zurück bis zur Großelterngeneration, welche Rassen zu finden sind. Aufgeführt werden dabei alle Rassen, die auf unserer Rassenliste zu finden sind. Über alle anderen kann man keine Aussage treffen“, so Martin Schatzl. „Es gibt sogar regionale oder kontinentale Unterschiede“, führt Michael Geretschläger von Feragen aus. „Ein Schäferhund aus Österreich unterscheidet sich genetisch von einem aus den Staaten.“
Anders als das zu 100 % sichere DNA-Screening zur Bestimmung von genetisch bedingten Krankheiten stützt sich der Rasse-Test auf eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, abhängig davon, wie prall gefüllt die Datenbanken sind. „Ein DNA-Screening ist endgültig und liefert eine eindeutige Antwort“, erklärt Michael Geretschläger. Dem schwarz-weißen Charakter des DNA-Screenings – das von Feragen und Canix, aber nicht von Galantos angeboten wird – steht die grau-dehnbare Wirklichkeit der Rassebestimmung gegenüber.
DNA-Test: Unterschiedliche Ergebnisse verwirren
Die regionalen Gen-Unterschiede mögen auch der Grund sein, warum die Test-Ergebnisse bei unserem Redaktionshund recht unterschiedlich ausfielen. Das Feragen-Zertifikat bescheinigte Pablo die Abstammung von Podenco Ibicenco, Zwergpudel, Jack Russel Terrier, Lancashire Heeler und Mischlingshund. Der letzte steht für einzelne Vorfahren aus Mischlingsrassen ohne stichfeste Rassenzugehörigkeit. Canix lieferte ein recht ähnliches Urteil und identifizierte Pablo als einen Mix aus Jack Russell Terrier (5% – 25%) und Zwergpudel (5% – 25%) sowie nicht näher erkennbaren Vorfahren. „Hierbei handelt es sich entweder um Mischlinge, die über Generationen selber nur aus Mischlingen entstanden sind, oder um Hunde aus Rasse(n), die unser Test derzeit noch nicht nachweisen kann“, so das Abstammungszertifikat von Canix.
Mit der größten statistischen Zugehörigkeits-Wahrscheinlichkeit berechnet, nannte das Paper Lancashire Heeler, Podenco Ibicenco, Lakeland Terrier, Anatolischen Hirtenhund sowie Deutschen Pinscher als wahrscheinliche Rassen. Galantos offenbarte dagegen eine Bulldogge (20 % – 36 %), sowie einen geringeren Anteil (je 10 % – 19 %) von Chihuahua, English Springer Spaniel, Irish Terrier, Scottish Terrier sowie Sibirian Husky, aber auch Spuren von Cathoula Leopard Dog und einem Pekinesen. Keine der Rassen deckte sich mit einem der beiden anderen Ergebnisse.
DNA-Test: Die Kosten
Die Preise für die Rassebestimmung bei den drei getesteten Anbietern unterscheiden sich nicht signifikant voneinander. Unterschiedlich bleibt lediglich die Größe der Datenbanken, auf die die Labore zurückgreifen.
Bei Canix kostet ein DNA-Test unter 185 Rassen – gerade reduziert – 109,80 Euro (regulär 119 Euro) und unter 260 Rassen – ebenfalls reduziert – 139,80 Euro (statt 179,80 Euro).
Etwas niedrigeren Preis (99 Euro reduziert, regulär 119 Euro) bei 260 Rassen in der Datenbank müssen die Kunden bei Feragen bezahlen. Für 20 Euro mehr (reduziert 119 Euro, regulär 149 Euro) dürfen die Hundehalter auch eine Befundmappe mit Foto und ein zusätzliches Rassebestimmungszertifikat zur Vorlage bei Ämtern, Behörden oder Zuchtvereinen erwarten.
Ein Rassetest bei Galantos kostet regulär 119 Euro: Das Ergebnis wird dort anhand von derzeit 235 Rassen ermittelt.
DNA-TEST unser Fazit:
Wer sich für den Rassetest entscheidet, muss allen voran die Bestände der Datenbanken betrachten, also die Zahl der verfügbaren Rassen. Es ist ein nettes Gimmick für neugierige Hundehalter, die die Herkunft ihrer Vierbeiner auseinanderdividieren wollen. Vielleicht hilft eine DNA-Analyse dem einen oder anderen, die Bedürfnisse seines Hundes zu verstehen, wie etwa das gesteigerte Interesse am Jagen, Buddeln, Hütten oder Schwimmen.
Ein DNA-Test zur Abstammung der Hunde scheint uns besonders bei Hundehaltern sinnvoll, die eine Chance haben, durch entsprechendes Zertifikat mit dem Rassennachweis die drohende Leinen- oder Maulkorbpflicht abzuwenden. Vor Gericht hat so ein Zertifikat aber keine Beweiskraft. Will jemand also einen Züchter verklagen, weil der DNA-Test keine Reinrassigkeit eines Hundes bestätigt hat, hat er schlechte Karten. Für die Vergleichbarkeit und die Unerschütterlichkeit der Beweise vor Gericht müssten alle Unternehmen auf die gleiche Datenbank zugreifen können.
Greift man zur Genetik, scheint uns das DNA-Screening eine sinnvollere Investition zu sein. Eine im Screening nachgewiesene Krankheit wird früher oder später ausbrechen, man kann sie nicht vermeiden, aber so beeinflussen, dass sie möglichst spät auftritt. Wenn ein Welpe eine genetisch bedingte Augen- oder Nierenerkrankung hat, die im DNA-Screening nachgewiesen wird, kann der Halter durch Nahrungsergänzung und konsequente Diät die Symptome aufschieben.
Es ist eine persönliche Entscheidung, ob man solche Sachen im Vorfeld wissen will oder nicht. Ob Hund oder Mensch.