Die Initiative Giftköderalarm bilanziert: Rund 100 000 Hunde gibt es offiziell in Berlin, bei rund 3,5 Millionen Einwohnern. Doch beim Zusammenleben von Mensch und Tier hakt es ab und an gewaltig. Hundehasser ergreifen immer wieder perfide Maßnahmen.

„Hey, nimm deinen Köter da weg.“ Wenn Hunde ohne Leine den Waden von Spaziergängern zu nahe kommen, greifen manche Berliner mitunter zu deftigen Worten. Doch dabei bleibt es nicht: Immer häufiger, so hat es den Anschein, spicken Menschen Leckerli mit Rasierklingen, Nägeln oder gar Rattengift. Tierfreunde dokumentieren und verbreiten Hinweise und Fotos der Todes-Häppchen via Facebook, Twitter oder App. Kaum ein Tag vergeht ohne Warnung aus deutschen Städten.

Giftköderalarm

Für Berlin haben die CDU-Politiker Thorsten Schatz und Kai Wegner am 10. April 2015 die Initiative „Giftköderalarm“ gestartet. Seitdem setzten sie auf Facebook knapp 120 Warnungen ab. Diese wurden so oft geteilt, dass sie den Angaben nach mehr als drei Millionen Nutzer erreichten. Die Resonanz sei „unfassbar“, sagt Wegner, der für die CDU im Bundestag sitzt.

Das Bangen um das Leben des Labradors von Thorsten Schatz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion Spandau, gab 2013 den Anstoß. Der Hund hatte wohl Rattengift gefressen und reagierte unter anderem mit Zittern – was sein Herrchen völlig ratlos mitansehen musste. Erst durch den Austausch mit anderen Betroffenen wurde er auf das Phänomen Giftköder und bestehende Warnseiten im Netz aufmerksam.

Kein Forum für Panikmacher

Im Gegensatz zu anderen Webseiten werde bei „Giftköderalarm“ inzwischen genauestens geprüft, ob an eingehenden Warnungen etwas dran ist. Das zu Jahresbeginn um drei Ehrenamtler gewachsene Team verlange neben einer plausiblen Darstellung auch den Namen des behandelnden Tierarztes, wenn möglich Beweisfotos sowie den Nachweis einer Anzeige bei der Polizei. Wichtigtuern und Panikmachern wollen sie kein Forum geben, wie sie sagen.

Auf anderen Internetseiten wird nicht so genau geprüft und jeder kann eine Warnung eintragen – was auch im Sinne der Betreiber zu sein scheint. Sie verkaufen in ihrem Online-Shop etwa 46-teilige Erste-Hilfe-Sets und Maulnetze.

Die Köder versetzen Hundehalter in Angst

Denn man unterhält sich beim Hundespaziergang gehen. Botschaften gingen um wie ein Lauffeuer, berichten Schatz und Wegner. Vorsorglich meiden Hundehalter angeblich betroffene Gebiete. Der Initiative sind auch neue Formen des Hundehasses bekanntgeworden. So seien zum Beispiel im Garten eines Einfamilienhauses 40 Hundekuchen mit je vier Nägeln gefunden worden.

Wie häufig so etwas in Berlin passiert, kann niemand mit Gewissheit sagen. Die Berliner Polizei erklärt auf Anfrage, man erhalte zwar Meldungen, nehme Strafanzeigen auf und prüfe teils auch Maßnahmen. Da es sich um Verstöße gegen das Tierschutzgesetz handle, seien aber die Veterinärämter der Bezirke zuständig.

Köder bei der Polizei melden

„Das Phänomen ist nicht neu“, sagte Beate Kaminski vom Tierschutzverein für Berlin. Durch Warnungen in sozialen Netzwerken werde mehr darüber gesprochen und es entstehe der Eindruck, dass die Zahl der Taten zunehme. „Wir haben immer wieder Anrufe von Besorgten.“ Der Verein rate Hundehaltern, verdächtige Köder bei der Polizei zu melden und generell vorsichtig zu sein.

„Es scheint mir nicht auffällig mehr geworden zu sein in den vergangenen ein bis zwei Jahren“, sagt eine Tierärztin, die nicht namentlich genannt werden will. Dass besonders grausame Köder verspeist wurden, ist nach ihren Angaben nicht an der Tagesordnung: „An Nägel oder Rasierklingen kann ich mich kaum erinnern, an Rattengift schon.“

Gefahr für spielende Kinder

Berlins Tierschutzbeauftragter Horst Spielmann sagt, es müsse auch dafür Sorge getragen werden, dass spielende Kinder nicht durch die Köder gefährdet werden. Allzu detaillierte Warnungen brächten womöglich Nachahmer auf Ideen. Er betont, gut erzogene Hunde würden nicht alles fressen. Auf seiner Internetseite ist dennoch ein Warnangebot geplant. Wann es online geht, ist offen.

Für diesen „Giftköderatlas“, bei dem Daten von Veterinärämtern, Tierärzten und Polizei einfließen sollen, haben Schatz und Wegner sich lange eingesetzt, wie sie sagen. Noch werde die Verantwortung für das Thema bei vielen Stellen beiseitegeschoben, sagt Kai Wegner.

Er will aber auch die Hundehalter nicht generell in Schutz nehmen: „Auch sie müssen liefern“, betont er mit Blick auf Hundehaufen und die Leine.

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