Angst hat viele Gesichter. Ein zerbissenes Sofakissen oder aggressives Knurren können ebenso Anzeichen von Angst sein wie Rückzugsverhalten und Zwangshandlungen. Aber was genau liegt deinem Hund auf dem Herzen?
Zunächst macht es Sinn, die verschiedenen Ausprägungen von Angst genauer unter die Lupe zu nehmen – denn Angst ist nicht gleich Angst. Während ihre leichteste Form, die Furcht, eine mäßige, durchaus händelbare Reizreaktion ist, auf die ein Hund entweder mit Neugier oder mit Flucht reagieren kann, ist die buchstäbliche Angst eine deutliche heftigere Reaktion auf einen bekannten oder unbekannten Reiz, welche den Hund handlungsunfähig macht und mit starken körperlichen Symptomen wie Speichelfluss, Hecheln, einer erhöhten Herzfrequenz, schwitzenden Pfoten sowie Harn- und Kotabsatz einhergeht.
Die als Phobie auftretende Angst bezieht sich nicht auf irgendeinen, sondern einen ganz bestimmten Reiz, der vom Hund als lebensbedrohlich wahrgenommen wird, ohne es auch nur ansatzweise zu sein, und auf den der Hund ebenfalls mit Handlungsunfähigkeit und starken körperlichen Symptomen reagiert. Die Angstausprägung in Form von Ängstlichkeit zeichnet sich vor allem durch die Vorahnung des Hundes aus, etwas Bedrohliches könne ihm jederzeit begegnen. Ängstliche Hunde befinden sich in einem permanenten Zustand übersteigerter Wachsamkeit, in permanenter Anspannung und Verteidigungshaltung gegenüber einer als feindlich wahrgenommenen Umwelt.
Dies zeigt sich entweder in leichter Reizbarkeit und aggressivem Verhalten oder in einer Verhaltenshemmung, die mit Ersatzhandlungen wie dauerndem Trinken oder Fressen, dem zwanghaften Lecken der Pfoten oder einem extremen Bindungsverhalten und zudem oftmals mit körperlichen Erscheinungen wie Durchfall, Erbrechen oder übermäßigem Speichelfluss einhergeht.
Deprivationssyndrom
Ein Hund entwickelt das sogenannte Deprivationssyndrom, wenn er in eine reizarme Umgebung, wie unter Umständen eine Aufzuchtstation, hineingeboren oder in einer solchen aufgezogen wird, in seinem weiteren Leben aber mit einer komplexen, an Reizen reichen Umwelt konfrontiert wird. Sein „unerfahrenes“ Gehirn kann dann mit diesen Reizen schlichtweg nicht umgehen. Was sich zunächst in Form einer Phobie vor allem Unbekannten zeigt, verfestigt sich schnell zu einem dauernden Zustand der Ängstlichkeit.
Der Hund macht schließlich die Erfahrung, dass aggressives Verhalten ihm dabei hilft, sich eine Vielzahl von Reizen vom Leib zu halten. So bahnt sich die ursprüngliche Unfähigkeit und Überforderung erst als Phobie, dann als Ängstlichkeit und schließlich als Aggression ihren Weg und wird für den Menschen immer weniger begreiflich und im Extremfall sogar gefährlich.
Trennungsbedingte Angststörungen
Ein unsicherer, ängstlicher Hund kann durch den intensiven Kontakt zu einer Bezugsperson Sicherheit, Vertrauen und Stabilität entwickeln. Dies führt zu einer direkten Abhängigkeit. Wird der Hund gezwungenermaßen, wenn auch nur vorübergehend für einige Stunden, von seiner Bezugsperson getrennt, entzieht sich ihm jegliche Existenzgrundlage, worauf er mit buchstäblicher Angst reagiert. Dies kann sich in lautem Bellen und Heulen zeigen und zu körperlichen Symptomen wie Harn- und Kotabsatz aufschaukeln. Ein anderer Ausdruck dieser Angst kann das der Beruhigung dienende Kauen, Nagen und Kratzen des Hundes an beliebigen Gegenständen seiner Umgebung sein.