Die Koffer gepackt, die Tasche voll mit unverzichtbaren Hundereiseuntensilien, die Vorfreude steigt. Endlich mal wieder Urlaub mit Hund. Doch wo geht es hin? Ostsee, Nordsee, Schwarzwald? Falsch! Diesmal lasse ich die beliebtesten Reiseziele deutscher Hundehalter links liegen und tippe ins Navi: Gruber Dorfstraße, Bad Wilsnack. Der Ort, bei dem mir sofort das Wasser im Mund zusammenläuft – wer würde denn schon einen Snack nicht wollen? – liegt in der Prignitz, etwa 130 Kilometer nordwestlich von Berlin. Auf Schloss Grube – so das eigentliche Ziel – werde ich mit meinen beiden Monstern knapp drei Tage verbringen.
Verschlafenes Dorf mit Charisma
Mit der Prignitz assoziiere ich rein gar nichts, es wird mein erster Besuch in dem Teil Brandenburgs und offen gesagt sind meine Erwartungen nicht sehr hoch. Eine Flachland-Ödnis mitten im ostdeutschen Nirwana – so ein böses Bild entsteht in meinem Kopf, als ich mich ins Auto setze. Nach zwei Stunden Fahrt ist von dem Bild nichts mehr zu finden. Das Dörfchen Grube überrascht mich mit wunderschönen Fachwerkhäuschen und alten Bäumen. Die Zeit wirkt hier wie stehengeblieben.
Die letzten Meter vor dem Ziel fahre ich auf einem alten Kopfsteinpflaster, vorbei an einer süßen Dorfkirche wie aus einem „Hänsel und Grätel“-Märchen: Fachwerkbau, ein niedlicher Glockenturm und barocke Stichbogenfenster. Später erfahre ich, dass sie 1577/78 erbaut wurde und jederzeit besichtigt werden darf: Der Schlüssel befindet sich am Empfang im Schloss Grube. Wären alle Kirchen den Besuchern gegenüber so offen, litten sie vielleicht nicht an solch massivem Gläubigerschwund.
Schloss Grube: Refugium für Hund und Halter
Etwa 100 Meter weiter von der in ihrer kompakten Schönheit beeindruckenden Kirche liegt schon das Schloss Grube: Ein imposantes barockes Herrenhaus aus dem Jahre 1740, umgeben von wunderschönen Wiesen und Obstgärten. Noch bevor ich das Haus betrete, bin ich seiner magischen Anziehungskraft verfallen: Die Ruhe hier ist vollkommen. Ich höre nur die Vögel in den Baumkronen streiten und die Insekten emsig summen. Auf der saftigen Wiese vor dem Eingang stehen ein paar Tische und Stühle – unscheinbar und präsent gleichzeitig. Eher ungewöhnlich an dieser Stelle, ein dazu gehöriges Restaurant kann ich nämlich nirgendwo entdecken. Ich widerstehe der Lust, mich niederzulassen und gehe mit den Hunden hinein.
Altes Schloss behindertengerecht
Wir werden schon erwartet, ich habe schließlich reserviert. Eine nette Dame am Empfangstresen händigt mir einen Anmelde-Zettel aus, den ich ihr ausgefüllt zurückgebe, und schon werden wir in unser Zimmer geführt. Geführt, nicht geschickt. Wie dekadent ist das denn? Fast wundert es mich, dass kein livrierter Page erscheint. Die Dame steigt mit uns die halb gebogene Treppe ins erste Geschoss hoch und sagt, auf meine betagte Shila deutend: „Einen Fahrstuhl haben wir auch“.
Die Shila schafft die Stufen aber und prescht – typisch Rammbock – ohne zu wissen wohin, einfach nach vorne. Hauptsache als Erste da sein, wenn man irgendwo neu ist. Das Zimmer versinkt im schummrigen Licht – zum Schutz von der gleißenden Sonne sind die schweren Vorhänge zugezogen. Ich schiebe sie beiseite und schaue auf einen wunderschönen Garten. Das frische Grün blendet mich fast – hat doch seit mehreren Wochen nicht geregnet.
Prachtgarten zum Entspannen und Schlemmen
Von der Geschäftsführerin des Schlosshotels erfahre ich später, dass sich zwei Gärtner um die Anlage kümmern. Das sieht man ihr an. Prächtige Rosensträucher, schöne Hecken, Hochbeete mit Kräutern und Salaten, Obst und Gemüse. Die holzverkleideten Hochbeete haben an der Seite integrierte Sitzbänke. „Die Idee ist, dass die Gäste auch im Garten verweilen, sich an den frischen Kräutern und Früchten bedienen, einfach entspannen“, erklärt Martina Christ, die diensthabende Schlossherrin. Deswegen wohl auch die Stühle und Tische auf der Wiese vor dem Eingang.
So ungezwungen und beiläufig, wie sie da stehen, sollen sie wohl bedeuten: Entspann dich, wo auch immer du bist. Meine Hunde nehmen das wörtlich und strecken die Bäuche im Garten in die Sonne. Da gerade keine anderen Gäste da sind, habe ich sie von der Leine gelassen. Würde ich sie fragen, würden sie hier wohl bleiben wollen, so entspannt wie sie da liegen. Ich frage lieber nicht. Den Wunsch müsste ich ihnen schließlich abschlagen.
Gemütliche Gemeinschaftsräume
Die drei Tage, die wir hier bleiben, können wir uns so schön machen, wie nur möglich. Ich beginne mit einer Schlosstour, die mir die Geschäftsführerin netterweise anbietet. Im zweiten Stockwerk gibt es außer den Zimmern auch einen gemütlichen Leseraum mit einem bequemen Chaiselongue und einem bis zur Decke gefüllten Bücherregal. Gegenüber der Bibliothek liegt eine Gemeinschaftsküche mit einer wunderschönen großen Tafel und mehreren Stühlen. Auch hier gilt: Die Gäste sollen sich nicht in ihren Zimmern aufhalten, dürfen sich frei bewegen, ins Gespräch kommen, vielleicht sogar gemeinsam kochen. Für ein Hotel ein eher ungewöhnliches, aber ultrasympathisches Konzept.
Keller mit Überraschungen
Die zwei Stockwerke verbindet mit dem Erdgeschoss – außer der Treppe – auch ein Fahrstuhl, mit dem man bis in den Keller fahren kann. Dort gibt es außer wunderschönen alten Weinschränken und vollen Lagerräumen auch eine alte Brunnenanlage, die bei den Sanierungsarbeiten zwischen 2007 und 2012 entdeckt worden ist. Da das Schloss und alle dazugehörigen Ausgrabungen denkmalgeschützt sind, genießen die alten Brunnengemäuer einen besonderen Schutz und waren auch für einen Baustopp verantwortlich.
Heute ist die Wasseranlage durch ein im Boden eingelassenes, bruchsicheres Glas zu bestaunen. Zusammen mit dem gut erhaltenen Gewölbe ist der Keller durchaus sehenswert – und bei Hitze auch der bevorzugte Aufenthaltsbereich für den Hund der Geschäftsführerin, Jasper.
Flexible Küche mit besonderer Geräuschkulisse
Zurück im Erdgeschoss finden die Gäste hier außer dem Restaurant auch ein Kaminzimmer, einen großen Besprechungs- und einen Musikraum. Regelmäßig finden hier Kulturveranstaltungen statt wie Live-Musik-Abende oder Lesungen. Für meine Unterhaltung an den drei Tagen sorgt eine Gruppe junger Musikschüler aus Potsdam, die im Garten proben. So schmecken die Schlossmahlzeiten noch besser.
Der Koch kreiert nach Wunsch auch nette vegane Gerichte, die gar nicht im Menü stehen
Das Schöne an der Speisekarte ist ihre Flexibilität: Der Koch kreiert nach Wunsch auch nette vegane Gerichte, die gar nicht im Menü stehen. Die Servicekräfte sind sehr aufmerksam und lassen sich auf einen Plausch ein, wenn man sie nach Besichtigungstipps in der Region fragt. Das Besondere an der Prignitz sind Störche, deren unauffälliges Klappern die Mahlzeiten begleitet.
Wälder und Felder in Reichweite
Zwischen Frühstück und Abendessen bleibt mir viel Zeit, die Gegend zu entdecken. Der nächste Wald ist links vom Schloss circa fünf Fußminuten entfernt. Rechter Hand, etwa 25 Fußminuten weiter, gibt es einen kleinen Staudamm, den ich dank der Wegbeschreibung der Mitarbeiter auch mühelos finde. Meine Hunde springen begeistert rein – die Sonne schlaucht sie ordentlich, zumal der Weg zum Wasser teilweise über einen flachen Feldweg führt, auf dem vereinzelte Bäume kaum Schatten spenden.
Die meiste Zeit verbringen wir im Freien, ob auf längeren Gassirunden oder im Garten. Dieser hat mir wirklich angetan: Es ist eine ausgewogene Mischung aus gepflegt und naturbelassen: Keine sterilen Kieselwege, keine geometrischen Hecken, keine disziplinierten Blumenspaliere. Ein alter Charme mit moderner Anmutung.
Alle wohlerzogenen Hunde erlaubt
Ähnlich wie die Zimmer, in denen neue Möbel mit altertümlichen Deko-Elementen kombiniert wurden. Mein Zimmer hat bunte Blumen als ein wiederkehrendes Motiv: Das florale Muster der Vorhänge wurde an der Wand nachgemalt – ein netter Hingucker. Nicht jedes Zimmer ist für Hunde erlaubt. „Das Problem der Allergien hat stark zugenommen“, erklärt Tina Christ. „Aus Rücksicht auf die Allergiker unter den Gästen sind Haustiere deswegen nur in zwei Zimmern zugelassen“.
Dafür pfeifen die Schlossherren auf die Rassenliste. „Bei uns sind alle wohlerzogenen Hunde erlaubt, wir sind nicht rassistisch“. Seit Mitte Juli umfasst das Übernachtungsangebot nicht nur acht Suiten und Zimmer im Schloss, sondern zusätzlich sieben Räume in den ehemaligen Stallungen. Auf dem Drei-Seiten-Hof in unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses beeindruckt vor allem der wunderschöne Party-Raum in der alten Scheune.
Mein Fazit
Schloss Grube überzeugt mit seiner ungezwungenen Atmosphäre und dem einzigartigen Garten. Das Konzept, die Räume gemeinschaftlich zu nutzen und sich an Obst, Gemüse und Kräutern bedienen zu dürfen, hat einen sympathischen Touch und macht den Aufenthalt wunderbar entspannend. Die Mahlzeiten sind erstklassig, die Störche entwaffnend.
Nett wäre noch eine kleine Aufmerksamkeit für die tierischen Gäste, wie Leckerli, Napf oder Hundehandtuch. Dass das Hotel aber nicht ausdrücklich auf Hundehalter ausgelegt ist, verrät schon die Extra-Gebühr für Hunde: Zehn Euro pro Tag und Nase. Der kleine Wermutstropfen hat das Vergnügen, Gast auf Schloss Grube zu sein, nicht gemindert: Der Ort hat mich nachhaltig verzaubert. Eins ist sicher: Ich komme wieder.