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Mittwoch ist Insektentag: Insektenprotein als Hundefutter

Mittwoch ist Insektentag: Insektenprotein als Hundefutter

© Futterzeit GmbH

Für zwei Milliarden Menschen auf der Welt gehören Krabbler zum kulinarischen Alltag – in Deutschland sind es höchstens experimentierfreudige Rucksacktouristen, die auf ihren Reisen den proteinreichen Snack gekostet haben. Hält die aktuelle Entwicklung der Weltbevölkerung an, könnten Insekten allerdings die einzige Möglichkeit werden, den steigenden Welthunger zu stillen und den Bedarf an Fischmehl-Ersatz als Tierfutter zu decken. Da die formellen Hürden aber immer noch hoch sind und die allgemeine Akzeptanz fehlt, tasten sich innovative Unternehmen an eine deutlich pflegeleichtere Zielgruppe heran: Hunde.

Hundefutter auf Basis von Insekten bietet den Firmen – wie etwa der Potsdamer EntoNative GmbH mit ihrer Marke TeneTrio – ein gutes Versuchsfeld für spätere Eroberungen im Lebensmittelbereich. „Wir haben mit Hundeleckerli angefangen, weil wir damals noch nicht wussten, wie sich der Markt – und vor allem die Gesetzeslage entwickelt“, erklärt Ina Henkel, die Geschäftsführerin von EntoNative. „Ein anderes Start-Up hat zu dem Zeitpunkt die Zulassung für menschliche Produkte auf Insektenbasis nicht bekommen. Warum sollten wir uns gleich eine Tür verschließen, wenn der Mensch noch nicht bereit ist?“

Mitgründerin und Geschäftsführerin Dr. Ina Henkel © TeneTrio

Das Prinzip der kleinen Schritte hat sich als richtig erwiesen: Seit der ersten Leckerli-Tüte im Januar 2017 konnte das Brandenburger Start-Up viele wertvolle Erfahrungen sammeln, hat mittlerweile einen finanzkräftigen Investor im Rücken und die Gesetzeslage hat sich auch geändert. Seit dem 1. Januar 2018 gilt die neue Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283, in der Insekten als neuartige Lebensmittel (novel foods) erlaubt sind.

Haustiere als Umweltsünder

Angesichts der großen Ernährungsprobleme – weltweit hungern rund 815 Millionen* Menschen und zwei Milliarden gelten als unterernährt – erscheint das Bohei um nachhaltige Haustierfütterung vielleicht lächerlich. Allerdings gehören Hunde (und Katzen) ebenfalls zu großen Klimasündern. Vor allem der hohe Fleischgehalt im Tierfutter belastet die Umwelt. Insektenbasierte Ernährung würde den großen ökologischen Fußabdruck deutlich reduzieren.

Aus eben diesem Grund ist Eat Small entstanden, ein Zwei-Women-Start-up aus Berlin. „Es ist absolut sinnvoll mit Insekten zu arbeiten, um weniger Fleisch zu produzieren“, sagt Veronique Glorieux, eine der beiden Geschäftsführerinnen von Eat Small GmbH. „Die Zahl der Menschen und Haustiere steigt, die Möglichkeiten der Erde sind aber begrenzt. So kann man mit Futter guter Qualität die Natur schützen. Insektenprotein ist die Antwort auf schrumpfende Anbauflächen und Überfischung.“

Véronique Glorieux and Gema Aparicio von EatSmall © EatSmall

Ekel vor Krabblern kennen Hunde nicht

Im Fall der Hunde als Zielgruppe ist der Markteinstieg für zahlreiche Start-Up deutlich einfacher als im Lebensmittelbereich. Ein wichtiges Problem ästhetischer Natur entfällt nämlich: Ekel vor Kriech- und Krabbeltieren empfinden unsere geliebten Vierbeiner nicht. Die meisten von ihnen ergänzen ihren Speiseplan ohnehin rein instinktiv um Fliegen oder Mücken, nach denen sie beiläufig schnappen. Es sind Bewohner der Industrieländer, die ein Problem mit Insektenkonsum haben.

In Asien, Australien und Lateinamerika gehören unterschiedliche Krabbler zum menschlichen Speiseplan und geschätzter Eiweißquelle. In Europa ist die Überwindungsschwelle immer noch sehr hoch, laut einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hat aber immerhin bereits jeder siebte Deutsche ein Insekt probiert. Rund 40 Prozent der Bundesbürger können sich vorstellen, ganze Insekten zu essen. Die Akzeptanz steigt aber exponentiell, wenn Insekten in den Produkten nicht erkennbar sind.

Einmal Mehlwurm-Quiche bitte!

Auf den Speiseplan gehören Insekten auch für Ina Henkel, die auf ihren Dienstreisen durch Thailand, Laos, Vietnam, Südafrika, Namibia oder Uganda unterschiedliche essbare Kerbtiere kennen und lieben gelernt hat. „Zu einer guten Ernährung gehört für mich ganz klar die Vielfalt, ich halte nichts von einem bestimmten Ernährungsstil“, erzählt die gebürtige Luckenwalderin. „Freitag ist traditionell der Fischtag. Warum soll Mittwoch nicht der Insektentag werden? Mit der Familie esse ich einmal im Monat ein Gericht aus Mehlwürmern. Meine Tochter war nicht mal ein Jahr alt, als sie eine Mehlwurm-Quiche probiert hat.“

„Freitag ist traditionell der Fischtag. Warum soll Mittwoch nicht der Insektentag werden?“

Felix Bierholz, Gründer von Futterzeit GmbH, kam in den Genuss von Heuschrecken und Grillen über seinen Studienkommilitonen aus China. „Ich war begeistert, wie gesund, nachhaltig und lecker Insekten sind“, erzählt der 24-Jährige. „Als ich in einem Zeitungsartikel erfuhr, dass ein Hund dreimal so viel Fleisch konsumiert, wie ein Mensch, kam mir die Idee Hundefutter herzustellen.“ Auf den Zug springen jetzt auch mehr und mehr Firmen in der Hundebranche. Neben Marken, die sich ausschließlich auf insektenbasiertes Futter und Snacks spezialisiert haben, erweitern immer mehr Futterhersteller ihr herkömmliches Sortiment um neue Sorten mit Insektenprotein, wie etwa Alsa Nature, Schecker oder Meravital.

Felix Bierholz von Futterzeit mit einer Dose Insektenmehl © Futterzeit

Insektenleckerli gegen ungesunde Hundesnacks

Neben ökologischen Aspekten beim Insekten-Tierfutter fallen auch gesundheitliche Gründe ins Gewicht. Die Zahl der Allergien, unter anderem gegen verschiedene Fleischsorten, steigt schließlich auch unter den Hunden. Insektenprotein gilt dagegen als hypoallergen, also frei von lästigen Allergenen. „Aus unserem Erfahrungsschatz wissen wir, dass Hundesnacks sehr oft ungesund sind, so Ina Henkel. „Wissenschaftliche Studien offenbaren immer mehr fette, allergische oder kranke Hunde.

Mit gesunden Snacks können wir diesem Missstand entgegenwirken.“ Der gesundheitliche Aspekt – neben der Nachhaltigkeit – spielte auch für Felix Bierholz eine wichtige Rolle. „Hunde profitieren von dem hochwertigen Eiweiß der Insekten. Beispielsweise werden bei der Insektenzucht keine Antibiotika eingesetzt.“

Öko-Trends selten eindeutig sinnvoll

Blickt man tiefer hinter die vermeintlichen Öko-Trends, die den Markt überfluten, stößt man regelmäßig auf starke Ambivalenzen. Ist die herkömmliche Kunststoff-Kottüte aus Erdöl wirklich schlechter als Bio-Plastik, für das erst einmal Mais angebaut und Regenwald gerodet werden muss? Bleibt Tierfutter in Lebensmittelqualität ein Vorteil oder kurbelt das den Fleischkonsum zusätzlich an, wenn doch nicht jedes Körperteil der sogenannten Nutztiere an Hunde und Katzen verfüttert wird, sondern nur reines Fleisch, das auch für Menschen geeignet ist? Macht Bio-Gemüse aus China mehr Sinn als das gespritzte aus der Region?

In der heutigen Welt der intransparenten industriellen Verflechtungen und der globalen Vernetzung sind ökologische Alternativen ohne Wenn und Aber eher sporadisch. Eines Todes stirbt man doch immer. Nicht aber im Falle der Insekten. Nur selten gibt es bei einem Weltrettungsversuch so viele stichhaltige Pro-Argumente wie bei den Krabbeltieren. Und nur ganz wenig schwache Argumente dagegen.

Was spricht für Insekten?

So gut wie jede Eigenschaft, die Insekten beschreibt, spricht für die kleinen Tierchen, die im Verhältnis zu Kühen, Hühnern oder Schafen eine recht anspruchslose Aufzucht garantieren. Sie:
• leben minimalistisch: für ein Kilogramm Insektenprotein braucht man einen einzigen Quadratmeter,
• lieben’s kuschelig: hier ist Massentierhaltung endlich artgerecht,
• kommen mit wenig aus: sie können sich von Agrarabfällen und Lebensmittelresten ernähren,
• pupsen kaum: sie produzieren deutlich weniger Treibhausgase als Schweine oder Rinder,
• sind zu 80% essbar: Schweine und Hühner können zu etwa 55%, Rinder nur zu 40% verzehrt werden,
• geizen nicht mit Reizen: sie liefern hochwertiges Eiweiß, etwa 150-fache Menge an Protein im Vergleich zu Soja, darüber hinaus auch viele Vitamine und Aminosäuren,
• sind wahre Umwandlungskünstler: aus zwei Kilogramm Futter entsteht ein Kilogramm Insektenmasse.

Und was spricht dagegen?

Insekt ist nicht gleich Insekt. Ähnlich wie bei der Zucht von Geflügel und Säugetieren, muss man auch bei den Krabblern gravierende Qualitätsunterschiede in Kauf nehmen, abhängig vom Futter, das die Tiere bekommen. Bei Insekten werden manchmal giftige Schwermetalle wie Cadmium als ein Risiko genannt, die Insekten anreichern können.

Allerdings reicht es aus, wenn das Futtermittel selbst gewisse Mengen nicht überschreitet. Auch die Tatsache, dass der Insektendarm vor der Verarbeitung wegen des enormen Aufwands nicht entfernt wird, birgt bestimmte Risiken. Indem man die Insekten ein bis zwei Tage vor der Tötung nicht mehr füttert, minimiert man das Risiko aber erheblich. Auch die thermische Verarbeitung reduziert das Restrisiko.

Die Produktion von 1 kg Rindfleischprotein verursacht bis zu 175 kg Treibhausgase. 1 kg Insektenprotein verursacht 92 % Emissionen weniger und liegt bei 14 kg. Die Produktion von einem Kilo Rindfleisch verbraucht über 15.000 Liter Wasser, 25 Kilo Futter und große Weideflächen. Ein Kilo Grillen wächst heran mit knapp acht Litern Wasser, zwei Kilo Futter und einer kleinen, meist vertikalen Zuchtfläche.

Beim Einsatz von 100 Kilo Futtermittel können so viele Menschen einen Tag lang mit dem erzeugten Protein ernährt werden:
Insekten: 430 Menschen
Hühner: 88 Menschen
Schweine: 37 Menschen
Kühe: 12 Menschen

Bis zu 70% der Proteine können Insekten aus organischem Abfall wiedergewinnen.

Heuschrecken machen Krach, Grillen beißen

An die 2000 Insektenarten sind essbar. Doch welche eignen sich am besten für Hundefutter? TeneTrio stellt Leckerli und Kekse auf Basis von Mehlwürmern. „Wir haben uns sehr viele Züchte in Asien angeschaut und genau abgewogen“, erklärt Ina Henkel. „Grillen sind ganz schön aggressiv und beißen. Heuschrecken brauchen viel mehr Platz und machen richtig Krach. Außerdem sind sie anfälliger gegen Krankheiten – eine ganze Population kann einfach so sterben. Soldatenfliege wird oft mit Schmeißfliege in Verbindung gebracht.

© TeneTrio

Akzeptanzstudien haben ergeben, dass sich Menschen gerade Fliegen als essbare Insekten nicht vorstellen können.“ Dagegen bräuchten Mehlwürmer am wenigsten Platz und seien nicht kränklich. Ein easy going Wurm, sozusagen.

Eat Small und Futterzeit arbeiten mit Hermetia Illucens, also der Soldatenfliege. „Bei der Soldatenfliege haben mich besonders die Farmen überzeugt, die ich besucht habe“, erklärt Felix Bierholz. Seine Larven bezieht der Unternehmer aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Er möchte sich aber nicht auf eine Insektenart festlegen. “Ich könnte mir auch gut vorstellen, in Zukunft einen Snack mit Grillen oder ein Futter aus Mehlwürmern herzustellen.“ Für die Gründerinnen von Eat Small war die geografische Nähe zu der Brandenburger Insektenfarm in Baruth von Bedeutung.

Larven aus Asien kamen für das Frauenduo nicht in Frage. „Wir haben viele Züchter besucht, bevor wir uns entschieden haben. Uns war es wichtig, die Rohprodukte zu kennen. Mit der Farm von Heinrich Katz sind wir sicher, dass die Qualität stimmt“, sagt Veronique Glorieux, Tierärztin und gebürtige Kanadierin.

Krabbelnd weiter

Egal ob mit Investoren oder auf eigene Faust, mit extern zugekauften Insekten oder einer eigenen Aufzucht – die deutschen Start-Ups stehen noch am Anfang. Das Potenzial, das in ihren Produkten schlummert, ist aber enorm. TeneTrio und EatSmall planen künftig unterschiedliche Hundefuttersorten, Futterzeit schielt auf Katzen als eine neue Zielgruppe. Die Produktpalette kann noch beliebig wachsen.

© eat small GmbH. Insect Power for Pets

Allen Gründern gemeinsam ist der weltverbesserische Ansatz. „Wir möchten die neue Art von Protein als eine alternative Fütterungsmethode für Hunde etablieren“, erklärt Gema Aparicio, die zweite im Bunde von EatSmall. „Die Welt ohne Massentierhaltung wäre um so viel besser. Für alle, die das kümmert, sind wir da.“ Auch Felix Bierholz hat große Ziele. „Die Welt steht vor großen Herausforderungen und jetzt ist die Zeit für den Wandel gekommen. Mein Traum ist es, dass die zukünftigen Generationen unsere unglaublich beeindruckende Natur noch genauso erleben können wie wir. Es wäre schön einen kleinen Beitrag dazu zu leisten. Mein Ziel ist es das Fleisch im Hundefutter vollständig zu ersetzen. So ein Futter ist sowohl für die Umwelt, als auch für unsere Hunde eine gute Alternative.“

*Quelle: Welthungerhilfe

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