Mit „Wiener–Dog“ bringt Autorenfilmer Todd Solondz eine bitterböse Satire auf die Leinwand. Die titelgebende Dackelhündin mit ihren unterschiedlichen Herrchen und Frauchen zeichnet darin ein trauriges Bild unserer Gesellschaft. Das Schicksal der Dackelhündin ist nichts für Hundeliebhaber mit schwachen Nerven. Doch der Film bietet viel mehr als provokante Dackel-Szenen. Wiener-Dog richtet unseren Blick grundsätzlich und erbarmungslos auf Lebenssituationen, bei denen wir normaler Weise lieber wegschauen wollten. Alle Hundefreunde, die keine Pussy sind und über ausreichend schwarzen Humor verfügen, werden „Wiener-Dog“ lieben.
Einsamkeit – kommt dir bekannt vor?
Wofür muss ein Hund in der zivilisierten Hemisphäre nicht alles herhalten? Als Kind- und Partnerersatz, als Statussymbol, treuer Begleiter unerbittlicher Bewegungsmotivator. Er wird gehegt und gepflegt, bekommt Physiotherapie, vegane Mahlzeiten und einen Dogsitter. Vor allem ist er Spiegel unserer Gesellschaft und seiner Besitzer. In der bitterbösen und zugleich oft tieftraurigen Satire „Wiener–Dog“ begleitet Autorenfilmer Todd Solondz einen Dackel und dessen unterschiedliche Besitzer, die eines eint: die Einsamkeit.
Die Natur schert sich nicht um sie…
Da ist zuallererst der neunjährige Remi, der offenbar gerade eine Krebserkrankung überstanden hat und von seinen wohlsituierten Eltern im antiseptischen Architektenhaus mit Fürsorge überschüttet wird. Vater Danny bringt ihm den Dackel als Geschenk mit, Mutter Dina (Julie Delpy) ist wenig begeistert. Doch Remi schließt den „Wiener-Dog“ (Dackel), den er auch ausschließlich nur so nennt, sofort in sein Herz. Zugleich liefern ihm seine Eltern, insbesondere seine Mutter, die skurrilsten Erklärungen für das Dasein von Hunden, der Notwendigkeit von Sterilisation und Einschläfern. Die Natur schert sich nicht um sie. Es ist traurig aber wahr. Wir sind der einzige Freund des Hundes“, sagt Dina irgendwann. Wenn das mal nicht umgekehrt ist.
Wiener-Dog wechselt seine Besitzer
Als die Eltern nach einem bösen Durchfall genug vom Dackel haben, bringen sie ihn zum Einschläfern zum Tierarzt. Dort rettet ihn die Helferin Dawn (Greta Gerwig) und nimmt ihn mit nach Hause. Dawn ist übrigens eine alte Bekannte: Dawn Wiener, aus Solondz‘ Coming-of-Age-Film „Willkommen im Tollhaus“, jetzt zwar erwachsen und mit Hipster-Brille, aber immer noch sehr allein. Als sie Leckerlis für den Dackel, den sie Kacka nennt, kaufen will, trifft sie auf ihren schon damals heruntergekommenen und drogenabhängigen Klassenkameraden Brandon (Kieran Culkin), mit dem sie kurzerhand nach Ohio aufbricht. „Ich habe nichts, was mich hier hält“, sagt sie.
Mit Wiener-Dog auf Rachefeldzug
Über Stationen unter anderem bei Brandons Bruder, der an Trisomie 21 leidet und mit seiner Frau, ein einfaches aber glückliches Leben führt, kommt Wiener-Dog auf unergründlichen Wegen nach New York zum Filmprofessor Schmerz (Danny DeVito). Der ist privat wie beruflich desillusioniert und als Lehrer wie als Drehbuchautor inzwischen abgeschrieben. Mit dem Dackel plant er einen persönlichen Rachefeldzug, der ihn allerdings vom Hund trennt.
Seine letzte Station macht Wiener-Dog bei der einstigen Diva Nana (Ellen Burstyn), deren Haus und sie selbst schon bessere Tage gesehen haben. Nach einem Besuch ihrer Enkelin, die immer nur auftaucht, wenn sie Geld braucht, lässt sie ihr Leben Revue passieren, und stellt fest, dass sie hätte glücklich sein können, wäre sie selbst netter, milder, nachsichtiger gewesen. Es ist zu spät – und dann nimmt auch noch das Leben von Wiener-Dog eine üble Wendung.
Kein Film für Hunde-Bewegte
All diese Episoden sind so abstrus, teils hoch komisch, teils zutiefst deprimierend. Regisseur und Drehbuchautor Solondz spickt seinen Film mit unendlich vielen Lebensweisheiten, „Du musst den Willen eines Hundes brechen“, sagt Remis Vater. Eine mexikanische Musikerkombo bemerkt lakonisch, wie traurig es in den USA ist und Remi stellt fest, dass der Tod zum Leben gehört.
Dabei spielt Solondz mit Motiven, Begriffen und Namen, die immer wieder auftauchen: Wiener-Dog heißt, nachdem er die Villa eingesaut hat, Kacka und bei der alten Diva Tumor, an dem Remi litt. Ganz zu schweigen vom Filmprofessor namens Schmerz, den Hot Dogs, die immer wieder auftauchen, und der naheliegenden Assoziation von Underdogs, also den Schwächeren und Benachteiligten.
Es gibt viele Details zu entdecken, Bilder zu sehen und Aphorismen zu erkennen, in diesem schrägen und bitterbösen Episodenfilm. Für Hundefreunde ist dieser Film eine wahre Herausforderung. Wer hier anfängt Mitleid mit Wiener-Dog zu haben hat verloren. Der Film verlangt vom anspruchsvollen Zuschauer Abstraktionsvermögen, Selbstreflexion und die Gabe auch mal über sich selbst lachen zu können. Denn wer ist nicht mehr Underdog als wir Hundebesitzer. Diese Film bedient ein kleines aber feines Genre und jeder der sich auf ihn einlässt, wird wird Kälte und Wärme des Lebens zu spüren bekommen. Also Hundefreunde seid keine Pussies und traut euch in den Film.