In den letzten Monaten hat Ruth Stolzewski verschiedene deutsche Städte bereist und ihren neuesten Dokumentarfilm „Freund oder Feind“ vorgestellt, der sich mit der ambivalenten Beziehung zwischen Hund und Mensch beschäftigt. Unsere Redakteurin Kinga Rybinska hat die Regisseurin in Berlin für ein Interview getroffen.
Filmemacherin und Hundefreak – so könnte man Ruth Stolzewski mit knappen Worten beschreiben. Wer tiefer bohrt, erfährt, dass die 33-Jährige in Regensburg geboren wurde und 100 Kilometer weiter, in Nürnberg aufgewachsen ist.
Sie hat Umweltplanung an der Technischen Universität München und anschließend Film und TV Design an einer privaten Medienschule in Berlin studiert. Heute arbeitet sie als freie Autorin, Regisseurin und Fotografin. Ihre große Leidenschaft gilt einer der ältesten Hunderassen: der Deutschen Dogge.
Ist das Dein erster Film über Hunde?
Nein, ich habe schon Filme über die Herzkrankheit DCM bei Doggen und Dobermännern gedreht. Sie sind kostenlos auf Youtube zu sehen. Und während meines Studiums habe ich das Hundemagazin „Bunter Hund“ als Übungsarbeit produziert.
Mensch-Hund-Beziehung. Wie kamst Du dazu, einen Film über das Thema „Mensch und Hund“ zu drehen?
Für die Mensch-Hund-Beziehung interessiere ich mich schon sehr lange. Deswegen habe ich auch die Umweltplanung mit Schwerpunkt Wildtier-Management studiert und die Bachelorarbeit über die Beziehung der Menschen zu Bären, Wölfen und Luchsen geschrieben. Mit dem Thema Hundezucht beschäftige ich mich privat seit fast 10 Jahren und habe viele Bücher über das Verhältnis Mensch-Hund gelesen.
Was waren bei dem Film die größten Herausforderungen?
Die erste große Herausforderung war es, mit sehr wenig Geld zu arbeiten, aber auch die Termine des Teams und der Protagonisten unter einen Hut zu bekommen. Wir haben in Drehblocks gedreht, damit sich die Kosten einigermaßen im Rahmen halten. Aber auch manche Themen waren für mich eine große Herausforderung, wie die belgische Welpenfabrik oder das Interview mit dem Hundehasser und Herausgeber der Zeitschrift „Kot und Köter“.
Was hat Dich am meisten bewegt?
Belgien hat mich schockiert, ich habe solche Massenproduktion von Hunden noch nie gesehen: die großen Hallen und tristen Plastikbehälter mit den Welpen. Dort haben wir mit versteckter Kamera gedreht. Es gab aber sehr viel Positives, wie etwa den Schäfer mit seinen Border Collies – die Hütehunde haben mich absolut fasziniert. Ganz toll war auch die Züchterin mit ihren Continental Buldoggen.
Was möchtest Du mit Deinem Film erreichen?
Ich möchte, dass zum einen die Hundehalter sich über das Mensch-Hund-Verhältnis bewusst werden. Das habe ich bei den Dreharbeiten auch gemacht. Der Film soll also zum Nachdenken anregen. Auf der anderen Seite will ich erreichen, dass Hunde in der Gesellschaft mehr geschätzt werden, auch von Nicht-Hundehaltern.
Was ist Deine persönliche Meinung zum Thema Hundeadoption aus dem Ausland?
Ich denke, dass man durchaus einzelne Hunde nach Deutschland holen kann, solange es mit seriösen Orgas und entsprechender Betreuung der Hundehalter passiert. Aber das löst das Problem vor Ort nicht. Man muss in den betroffenen Ländern mit gut geführten Tierheimen zusammenarbeiten, Kastrationsprojekte umsetzen, Aufklärung der Bevölkerung betreiben und nicht zuletzt an einer besseren Gesetzgebung arbeiten, wie etwa daran, dass gesunde Hunde nicht mehr getötet werden dürfen.
Du hast selbst eine deutsche Dogge, eine Rasse, die sehr häufig von der Herzkrankheit DCM betroffen ist. Deinen ersten Hund hast Du wegen eben dieser Krankheit verloren. Wäre es nicht konsequent, eher einen Hund aus dem Tierheim zu holen statt vom Züchter?
Bei einem Mischling weiß ich überhaupt nicht, was drin steckt. Bei einem Rassehund weiß ich, wer die Vorfahren waren und kann mir einen Welpen bei einem guten Züchter aussuchen, der auf Gesundheit und Langlebigkeit seiner Hunde achtet und entsprechende Untersuchungen macht.
Gaia, meine aktuelle Hündin, habe ich aus Finnland geholt und bin ihretwegen 4.000 km zu einer Züchterin gefahren, die sehr auf die Gesundheit achtet. Das Durchschnittsalter ihrer Hunde liegt 2 Jahre über dem Durchschnitt der Gesamtpopulation, die hat Hunde, die 12, 13 oder 14 Jahre alt geworden sind. Du kannst nur etwas an einer Rasse ändern, wenn Du etwas über die Hunde weißt.
Was soll aber mit Hunden in den Tierheimen passieren?
Man muss regulieren. Zum einen eine Kastrationspflicht in den Ländern einführen, in denen die Hunde frei herumlaufen. Auf der anderen Seite muss auch die Zucht reguliert werden. Die Welpenfabriken in Osteuropa oder Belgien müssen verboten werden. Auch der Welpenhandel im Internet darf in der Form nicht legal bleiben: Die Internetplattformen müssen in die Pflicht genommen werden, dass man dort nur dann Hunde anbieten kann, wenn man vom Veterinäramt geprüft wurde.
Damit könnte man das Problem am schnellsten lösen. Der Staat muss endlich die 220 Millionen Euro Hundesteuer zum Wohle des Hundes verwenden: für den Tierschutz, die Aufklärung, die kontrollierte Zucht und auch die Überwachung vom Welpenhandel. Dann fände ich die Hundesteuer in Ordnung, sonst dient sie nur der Sanierung des Haushalts.
Was denkst Du über Zuchthunde und Ausstellungen?
Ich bin der Meinung, dass Hundeausstellungen einen ganz großen Beitrag dazu leisten, dass Rassehunde so krank geworden sind. Dort wird es nur nach Äußerlichkeiten selektiert. Aufgrund von falschen Schönheitsidealen, die mit dem Standard oft nichts zu tun haben, werden viele Rassen übertypisiert. Ich wäre dafür, Ausstellungen abzuschaffen, zumindest die großen, und das ganze Geld, was damit gespart würde, sollte in die Gesundheit fließen. Das ist ein Millionenmarkt.
Bei jeder Ausstellung müsste eine staatliche Kontrolle geben, nicht nur durch private Vereine. Jeder Züchter müsste vom Veterinäramt geprüft werden. Wir brauchen klare Regelungen, die zum Beispiel die Anzahl der Würfe betreffen.
Was ist dann die Rolle des VDH?
Der VDH ist im Endeffekt ein Wirtschaftsunternehmen, das Markennamen verwaltet. Jede Rasse ist nämlich im Grunde eine Marke und darum sträuben sich so viele gegen Rassenvermischungen. Das wäre so als würde man Pepsi und Cola zusammenbringen. Es geht um Geld und um Macht. Der VDH lebt hauptsächlich von den Ausstellungen. Was der VDH zumindest teilweise geschafft hat, ist, dass die Welpenaufzucht und Haltung der Hunde größtenteils, nicht überall, in Ordnung ist.
In jedem Verein gibt es nämlich einen Zuchtwart, der den Wurf und die Zucht kontrolliert. Es sind aber Vereinsmitlieder, das ist eben keine wirklich objektive Kontrolle. Es wäre besser, wenn ein Tierarzt die Abnahme machen würde. Es ist aber auf jeden Fall besser als nichts. Bei VDH geht es sehr oft nicht um die Hunde, sondern vor allem um Macht und um persönliche Animositäten. Der Hund steht an allerletzter Stelle.
Du willst mit Gaia auch züchten. Was möchtest Du denn anders machen?
Mein Hauptfokus liegt bei den richtigen Verpaarungen: Ich will keine Inzucht. Bei den Deutschen Doggen gibt es im Grunde drei Unterrassen: die gelb gestromten, schwarz gefleckten und die blauen. Dadurch wird die Population noch kleiner, weil man sie untereinander nicht vermischen darf. Ich plädiere dafür, die Populationen zu öffnen und kontrollierte Kreuzungen zuzulassen, um genetische Vielfalt zu garantierten. Das Alter der Vorfahren ist auch sehr wichtig: Sie müssen überdurchschnittlich alt geworden sein.
Ganz wichtig ist auch, dass man keine Übertypisierung macht: dass die Hunde nicht zu schwer werden, nicht zu viel lose Haut haben, auch nicht in Richtung Mastino gehen, was ja nichts mit dem eigentlichen Rassestandard zu tun hat. Man muss auf eine gesunde Anatomie achten. Bei der Gaia stecken beispielsweise Gene von Hunden aus der ganzen Welt: aus Nord- und Südamerika, Skandinavien und Mitteleuropa. Bei ihr wurde das Herz geschallt, der Rücken geröntgt, ein Gentest gemacht, auch die Ellenbogen und Hüften waren ohne Befund. Das wäre mein größter Traum: Eine Zucht, die für die genetische Vielfalt und ein gesundes Aussehen sorgt.
Wie stehst du zu Rasselisten?
Ich halte die Rasselisten für den absolut falschen Weg, um die Bevölkerung vor Unfällen mit Hunden zu schützen. Die Listen sind absolut willkürlich, was schon dadurch bewiesen wird, dass sie in jedem Bundesland unterschiedlich sind, und in manchen wie Schleswig-Holstein, komplett abgeschafft wurden. Außerdem stehen auf den Listen teilweise Rassen, die es gar nicht gibt – wie der Bandog – oder Rassen, die bei uns extrem selten sind und nie auffällig wurden – wie der Tosa Inu.
Wenn die Politiker wirklich interessiert wären, die Zahl der Unfälle mit Hunden zu reduzieren, dann würden sie endlich Gesetze für Hunde und nicht nur gegen Hunde erlassen. Es passieren eh sehr wenig Unfälle, verglichen mit der hohen Anzahl Hunde: Nur 0,5 % der Hunde werden überhaupt auffällig und 80% der Unfälle passieren innerhalb der Familie.
Die Rasselisten dienen ausschließlich dazu, einem Teil der Bevölkerung Sicherheit vorzugaukeln und von der tatsächlichen Untätigkeit der Politiker in Sachen Hund abzulenken.
Was ist Dein Fazit: Ist der Mensch des Hundes Freund oder Feind?
Ich denke, der Mensch kann immer beides sein, weil er ein sehr ambivalentes Wesen ist. Er kann Wunderschönes erschaffen, kann aber auch sehr destruktiv sein. Und so ist die Beziehung zum Hund oder zum Tier im Allgemeinen.
Was steht bei Dir demnächst an?
Eher kleinere Projekte, aber Tiere und Umwelt gehören ganz klar zu meinen Favoriten. Mit dem Film habe ich alles über den Hund gesagt, was ich zu sagen habe. Mein Traum ist es, einen Naturfilm zu machen.
Dein abschließender Kommentar?
Ich bin ganz begeistert, auf meiner Tour so viele sehr interessierte und verantwortungsvolle Hundehalter kennen gelernt zu haben, auch Menschen, die sich in der Hundeszene engagieren ob Trainer oder Tierschützer. Ich finde das sehr positiv.