Nach über zehn Jahren Absenz darf der Roboterhund Aibo bald wieder durch die japanischen Haushalte schleichen. Der Elektronikkonzern Sony kommt mit einer Neuauflage seiner alten vierbeinigen Maschine auf den Markt zurück. Dank künstlicher Intelligenz soll die neue Version echter wirken. So echt, dass sie auch Zuneigung vortäuschen kann. Könnte sie jemand mit echten Emotionen verwechseln?
Was hierzulande befremdlich wirkt, kann wo anders – allen voran in Japan – zum Renner werden. In der Manga-fixierten Nation, in der die bunten Komik-Hefte vor 15 Jahren noch knapp 40% aller Druckerzeugnisse ausmachten, ticken die Menschen einfach anders. Das Leben in Nippon ist durchgängig sensorgesteuert: Sprechende Selbstbedienungsautomaten, beheizbare Kloschüsseln mit musikalischer Untermalung, Rolltreppen, die vorm Stolpern warnen, Haushaltsroboter, die bei der Altenpflege helfen. Und Hunde, die von der ersten Stunde an stubenrein sind und nie einer Katze nachjagen.
Roboterhund Aibo: Von Menschen und Maschinen
Menschen werden durch Maschinen ersetzt, das ist kein neuer Trend, nur dass es in Japan viel rasanter vonstatten geht als hier. Doch können Roboter echte Gefühle vortäuschen? Nach der Vision von Sony sehr wohl. Der Anfang November vorgestellte Nachfolger des ersten Roboterhundes Aibo soll viel besser mit den Besitzern interagieren können als sein älterer Bruder (ERS-111), der 2006 zum letzten Mal vom Fließband ging. Mit der Einstellung der Produktion reagierte der Konzern damals auf massive Verluste in seinem Geschäft mit Unterhaltungselektronik.
Doch 2017 steuert Sony auf den ersten operativen Rekordgewinn nach 20 Jahren zu – und bedient sich wieder seiner alten Bestseller. 1999 ist die erste Version von Aibo zum Verkaufsschlager geworden: Trotz des stolzen Preises von ungefähr 1.850 Euro waren die ersten 3.000 Stück in nur 20 Minuten ausverkauft. Insgesamt ging der mechanische Vierbeiner rund 150.000 Mal über die Ladentheke.
Roboterhund Aibo: Der mechanische Kumpel
Der neue Aibo („Kumpel“), offiziell – und deutlich weniger kumpelhaft – auch ERS-1000 genannt – ist weiß, etwa 30 cm groß und kann bellen, Pfötchen geben, mit den Ohren wackeln, mit dem Schwanz wedeln, auf Zurufe reagieren und ganz niedlich schauen – dank der kleinen OLED-Displays, die seine Augen ausdrucksstärker machen. Mit dem Internet verbunden, spielt er mit seinem Herrchen oder Frauchen über Smartphone, dank seiner Sensoren nimmt er auch das Streicheln an Kopf oder Rücken wahr. Über zwei Kameras soll er Emotionen – etwa das menschliche Lächeln oder lobende Worte – erkennen und mit der Zeit auch erwidern.
Die künstliche Intelligenz erlaubt es ihm nämlich, sein Verhalten an die Reaktionen der Menschen anzupassen. „Wenn er sich geliebt fühlt, zeigt er seinerseits noch mehr Liebe und Zuneigung“, sagte der Präsident Kazuo Hirai bei der Vorstellung des Neuzugangs. „Wir hoffen, dass die Besitzer eine tiefe emotionale Bindung zu ihren Roboterhunden entwickeln.“
Roboterhund Aibo: Lernen gegen Geld
Ist das Ihr Ernst, lieber Kazuo Hirai? Wo soll denn die emotionale Bindung zu einer Maschine denn führen? Wohl doch nur zu steigenden Verkaufszahlen. Denn Sony will nicht nur mit dem Verkauf der Möchte-Gern-Haustiere verdienen, sondern auch über die Lebenszeit des Metallhündchens Umsätze generieren. Die 1.500 Euro teure Version, die ab Januar 2018 zunächst in eingeschränkter Stückzahl und nur in Japan auf den Markt kommt, ist nämlich noch recht unbedarft.
Damit der naive Aibo tatsächlich lernen kann, ist ein Abo-Dienst erforderlich, für den 22 Euro im Monat oder 680 Euro (90.000 Yen) für drei Jahre fällig werden. Für 20.000 Yen pro Jahr (gut 150 Euro) bekommt der stolze Besitzer außerdem einen Rabatt von 50 Prozent bei Reparaturen und Inspektionen – damit das Hündchen quasi auch permanent „gesund“ bleibt. Und damit er sich nicht langweilt, kann Aibo einen Plastik-Knochen für 2.980 Yen (22,50 EUR) bekommen, mit dem er spielen kann.
Roboterhund Aibo: Niedlich durch den Welpenlook
Wie im echten Leben, ist auch das Plastikhündchen nicht permanent ansprechbar: Sein Akku reicht für rund zwei Stunden, danach muss Aibo für drei Stunden an die Steckdose. Während das erste Modell noch einen kantigen Roboterkopf hatte, ähnelt die neue Generation mehr einem niedlichen Spielzeughund. Der ewige Welpe ist mit nur 2,2 Kilogramm ein echtes Leichtgewicht, könnte also auch der perfekte Begleiter auf Flugreisen werden. Wenn denn die Elektronik über die Sicherheitsschleusen schafft.
Sony wagt noch keine Verkaufsprognosen und lässt auch offen, ob und wo es das Robotertier auch im Ausland verkaufen will. Ich hoffe, Aibo bleibt in seinem ursprünglichen Revier. Es wäre eine bedauernswerte Entwicklung, wenn sich noch mehr Menschen für das mechanische Bellen, den staksigen Gang und die Leuchtdioden statt Augen begeistern würden. Einen Vorteil hat die Roboter-Version aber schon: Beim Entlieben landet sie sicherlich nicht im Tierheim. Höchsten auf dem Schrott.