Smartphones und Apps sind aus unserem Leben längst nicht mehr wegzudenken. Doch brauchen auch Hunde die moderne Technik? Das Kölner Start-Up furryfit ist sich dessen sicher und kommt mit einem app-basierten Fitness-Tracker für den Hund auf den Markt – und ins Studio der „Höhle der Löwen“. Was ist von dem Gadget zu halten?
Knallig rot und in einer mainstream-gerechten Tatzenform kommt der neue Hunde-Fitness-Tracker daher. Am Halsband angebracht, sieht er wie eine etwas groß geratene, rundliche Adress-Schatulle aus. Meine Neugier, ein neues Gimmick zu testen, gleicht der Skepsis: Brauchen Hundehalter wirklich eine App, um die Fitness des eigenen Tieres zu beurteilen? Die Business-Angels aus der VOX-Show hat das Gründer-Duo Jona und Micha Neubert nicht überzeugt – dafür war das Produkt wohl zu frisch auf dem Markt und die Verkaufszahlen beeindruckten noch nicht. Meine Neugier hat der Tracker aber geweckt und die Testphase mehr Erkenntnisse gebracht als ich vermutet hätte.
Fitness-Tracker: App-Test mit iPhone 6
Das Einrichten geht schnell: Die Batterie auspacken, an die entsprechende Stelle im Gehäuse schieben, den Deckel zudrehen. Die Furry-App auf dem Smartphone installieren, die erhaltene E-Mail bestätigen und ein Profil des Hundes anlegen. Fertig. Leider klappt die anschließende Bluethooth-Verbindung bei mir nicht: Das Modell meines Samsung Galaxy S5 Mini – oder aber die Bluethooth-Version – erweist sich als zu alt für die App.
Meine Geduld, länger nach der Ursache der Fehlfunktion zu suchen, reicht nicht aus, also teste ich die Applikation auf einem geliehenen iPhone 6. Dieses macht zum Glück keinerlei Schwierigkeiten. Erleichtert über den kleinen Sieg über der widerspenstigen Technik, laufe ich mit meiner Hündin Shila, der ich den Tracker mittels eines mitgelieferten Gummi-Rings an das Halsband befestige, los.
Kalorien, Prozente und Zeitachsen
Das Prinzip von furryfit ist einfach: Der Tracker erfasst die aktiven Phasen und die Ruhezeiten des Hundes und vergibt für Beides Punkte, die sogenannten Tapsis. Diese entsprechen einem Gesundheitsindex, der Informationen darüber liefert, ob Aktivität und Erholung in einem guten Verhältnis zueinander stehen. Viel aussagekräftiger als die Tapsis erscheinen mir allerdings andere Angaben und zwar:
• das in Prozenten gemessene Tagesziel
• die Zahl der aktiven Stunden
• der Kalorienverbrauch
• eine grafische Übersicht der aktiven und inaktiven Stunden auf einer horizontalen Zeitachse
Gesundheit-Check nicht nur für Menschen wichtig
Nach dem Auslöser der Idee für furryfit gefragt, nennt Jona Neubert ein Fitnessarmband, mit dem er seine eigene Fitness regelmäßig gemessen hat: „Als ich meinen Hund Dante einmal zum Joggen mitgenommen habe und er danach sehr geschafft war, habe ich mich gefragt, warum ich meine Gesundheit überprüfe, aber nicht die von meinem Hund, der ja nicht mit mir sprechen kann“, sagt der 32-Jährige. „So war die Idee geboren ein Gerät zu entwickeln, mit dem ich tatsächlich sehen kann, wie viel sich mein Hund bewegt und wie ich ihn daraufhin besser versorgen kann.“
Fitness-Tracker: Lange Entwicklungszeit
Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt hat es rund drei Jahre gedauert. „Wir sind beide keine Programmierer. Dadurch hat sich die Realisierung der Technik am Anfang als Herausforderung dargestellt“, erzählt Jona. Das ursprüngliche Konzept für ein Fitnesshalsband, mit dem man bloß die Aktivität des Hundes aufzeichnen kann, ist mit der Zeit auch umfangreicher geworden. Der Tracker gibt dem Halter Einblicke in das hündische Wohlbefinden und macht Verhaltensauffälligkeiten leichter erkennbar.
„Ist der Hund bei Abwesenheit des Halters unruhig, statt zu schlafen, leidet er möglicherweise unter Verlustangst“, so Jona. Die Ruhe- oder auch Unruhe-Phasen des Hundes lassen sich auf der Zeitachse genau nachvollziehen. Furryfit hilft aber auch das Training mit dem Hund effizienter und gesünder zu machen und erleichtert bei Bedarf die Zusammenarbeit mit dem Tierarzt oder Tierheilpraktiker, weil es tagtäglich ein digitales Tagebuch führt.
furryfit: Smarte Funktionen
Die App dokumentiert aber nicht nur die Aktivität des Hundes, sondern zieht auch Schlussfolgerungen, die sich aus den im Profil hinterlegten Infos zu Rasse, Alter, Gewicht und Geschlecht sowie – erfolgter oder nicht erfolgter – Kastration ergeben. An durchschnittlich aktiven Tagen las ich neben „Tagesziel: 100%“ auch die Meldung „Normale Ruhezeit. Super“. Als Shila aber krank geworden ist und nicht laufen wollte, haben wir nicht nur lediglich 25-35 % vom Tagesziel erreicht.
Die App zeigte auch eine Warnung. “Shila hat auffällig viel geruht. Alles OK mit Shila?“ In dem konkreten Fall brauchte ich keine App, um die Krankheit meines Hundes zu registrieren, dafür war das Unwohlsein einfach zu auffällig.
Wächst die Unlust am Gassigehen aber schleichend und unmerklich oder sind die nächtlichen Unruhephasen während der Halter schläft, zu lang, kann furryfit rechtzeitig schon bei ersten Abweichungen warnen. Die Aktivität des Hundes lässt sich übrigens in der Tages-, Wochen- oder Monatsansicht anzeigen – so lässt sich beispielsweise auch ein steigendes Fitnesslevel gut messen.
Nützlich beim Hundesitting
Auf der täglichen Zeitachse, die unterschiedlich intensive Aktivitäten oder Ruhepausen graphisch darstellt, konnte ich übrigens auch den Motivationsgrad meines Freundes feststellen, der mich an manchen Tagen beim Gassigehen vertritt. Schnellen die Säulen über eine längere Zeit an einem Tag in die Höhe, hat Shila eine spannende und aktive Gassirunde mit Ballspielen und Suchübungen gehabt. Dümpelt das Diagramm in der Gassizeit vor sich hin, war das eine faule Runde.
Gibt man den Hund in eine Hundekita ab oder vertraut ihn einem Dogwalker an, lässt sich die Auslastung des Tieres und die Dauer des Spaziergangs sehr gut nachvollziehen – der Tracker speichert die Daten nämlich, auch wenn das Handy nicht in der Nähe ist. Befindet sich der Hund bzw. das Halsband wieder nah am Smartphone, reicht ein einmaliges Antippen in der App, um die Daten zu aktualisieren, auch mehrere Tage zurück.
„Höhle der Löwen“ kein Fiasko
Auch wenn dem Auftritt der beiden Brüder in der „Höhle der Löwen“ kein Deal folgte, beurteilt Jona ihre Entscheidung, bei den Dreharbeiten im April 2018 mitzumachen, als richtig. „Uns war klar, dass die Investoren leichter zu begeistern sind, wenn ein Produkt schon auf dem Markt ist. Aus diesem Grund hielt sich die Enttäuschung, dass keiner der Löwen zugegriffen hat, auch in Grenzen“, erzählt der gebürtige Wiehler. „Zur Ausstrahlung im September waren wir dann auf dem Markt und die mit der Fernsehshow verbundene PR hat uns dann sehr geholfen.“
Überzeugt das Fitness-Halsband breitere Massen? Ist das nicht eine Vermenschlichung, den Aktivitätslevel des eigenen Hundes digital zu messen? Und braucht man wirklich ein Gerät, um festzustellen, dass ein Hund zu fett ist? „Ich denke nicht, dass es etwas mit Vermenschlichung zu tun hat, wenn man mehr über die Bedürfnisse oder Gesundheit seines Hundes erfahren möchte“, entgegnet Jona überzeugt.
„Auf den ersten Blick könnte zwar der Eindruck entstehen, dass ein Aktivitätstracker für den eigenen Hund übertrieben ist. Doch wenn man genauer darüber nachdenkt, weiß man doch recht wenig über die tatsächlichen Bedürfnisse seines Vierbeiners. Viel geht heutzutage über Gefühl, dies ist aber leider oft falsch, was man an den vielen übergewichtigen oder falsch ausgelasteten Hunden sieht.“
Geboren und entwickelt in Deutschland
Der Furry-Tracker wurde in Deutschland entwickelt und wird auch hierzulande hergestellt. So wollen die beiden Gründer den kurzen Draht zu den Zulieferern nutzen, um bei Bedarf schnell Änderungen vornehmen zu können. „Nur so können wir auch garantieren, dass keine gefährlichen Weichmacher in Gehäusen vorhanden sind oder störende Strahlungen von der Elektronik ausgehen“, betont Jona. Er und sein drei Jahre jüngerer Bruder Micha kommen aus einer hundeverrückten Familie. „Unsere Mutter ist im Hütesport aktiv und war viele Jahre Züchterin. Unser Stiefvater und der große Bruder sind Tierärzte“, plaudert Jona aus dem Nähkästchen.
Die Nähe zu der Hundebranche hat dem Duo sicherlich geholfen, den Fitness-Tracker zu entwickeln. Und wie es scheint, war das nicht das letzte Gerät der Brüder. „Wir arbeiten gerade daran, unseren Vertrieb auszubauen und neue Produkte auf den Markt zu bringen. Es wird also von furryfit in Zukunft noch mehr Technik für Haustiere geben, die das Leben mit Hund gesünder oder sicherer machen.“
Furryfit im Video
Und mein Fazit?
Ich bin zwiegespalten. Die App macht Spaß, ist leicht und intuitiv zu bedienen und liefert viele Informationen, die mir sonst verborgen bleiben, wie etwa den Kalorienverbrauch. Sie misst auch die Aktivität des Hundes bei meiner Abwesenheit oder in der Nacht und weist mich schnell auf Verhaltensauffälligkeiten hin. Für digitale Natives mit Hund ist der Tracker sicherlich ein Muss und die Quelle großer Genugtuung. Auch unerfahrenen Hundehaltern kann furryfit eine großartige Hilfe leisten, indem es einen roten Faden mit Zielen und Ergebnissen für den Alltag mit dem Vierbeiner liefert. Arbeitet man auf ein bestimmtes sportliches oder diätetisches Ziel hin, lassen sich mit der App auch kleine Fitness-Erfolge messen – das steigert die Motivation.
Aber: In der heutigen Zeit, in der wir von Maschinen und Technologien umgeben, ja fremdgesteuert sind, scheinen für mich die Rückkehr zur Natur und ein Rückbesinnen auf den gesunden Menschenverstand wohltuend und richtig zu sein. Schärft der Tracker unsere Sinne für die Bedürfnisse der Hunde oder lullt sie eher ein?