Eremiten sind selten und leben versteckt in Baumhöhlen. Jetzt suchen Forscher erstmals in Deutschland mit einem Spürhund nach den vom Aussterben bedrohten Käfern.
Lauenberg – Es hat geregnet im Solling. Von den Eichen rinnt das Wasser. Wildschweine haben die Wege zerwühlt, die Schuhe versinken im Matsch. „Tilda“ macht das alles nichts aus. Der kleinen Hündin kann es gar nicht schnell genug gehen. Sie zerrt ungeduldig an der Leine und schnuppert: „Tilda“, ein vier Jahre alter Irish Terrier, sucht nach Eremiten. Mit ihrer feinen Nase kann sie die extrem seltenen und vom Aussterben bedrohten Käfer aufspüren.
Zusammen mit Hundeführerin Svenja Schmidt strebt die Spürnase immer tiefer in den alten Eichenwald bei Lauenberg (Landkreis Northeim). „Hier gibt es Bäume, die 300 Jahre alt sind“, sagt Revierförster Jost Speitling von den Niedersächsischen Landesforsten. Manche Eiche stehe wohl auch schon doppelt so lange. Die Universität Göttingen erforsche das beispiellose Waldgebiet schon seit Jahren, berichtet der Biologe Hermann Hondong. In dem früheren Hutewald, wo im Mittelalter Vieh geweidet wurde, gebe es dank der alten Bäume viele seltene Tiere, unter anderem zum Beispiel sechs Arten von Spechten.
Der bis zu vier Zentimeter lange dunkle Käfer und seine fast doppelt so großen Larven benötigen große alte Bäume mit Hohlräumen.
Der Wald ist auch ein geeigneter Lebensraum für den Eremiten. Dort ernähren sie sich von verfaultem Holz, dem sogenannten Mulm. In ganz Niedersachsen gebe es allenfalls 20 bekannte Eremiten-Vorkommen, sagt Hondong. „Wir suchen nach weiteren Eremiten, weil es für die auch als Juchtenkäfer bekannte Art eine von der EU vorgeschriebene Berichtspflicht gibt“, sagt der Biologe. Die Suche sei aber problematisch, weil der Käfer kaum nachzuweisen sei, ohne störend oder möglicherweise sogar zerstörend in seinen Lebensraum einzudringen.
Als erste Forschungseinrichtung in Deutschland setzte die Universität Göttingen deshalb jetzt auf eine Hundespürnase als „nichtinvasive Suchmethode“, sagt Hondong. Die Forstwissenschaftlerin Svenja Schmidt, die schon früher bei der Bundeswehr als Hundeführerin aktiv war, hat „Tilda“ ausgebildet. Es habe lange gedauert, bis die Hündin gelernt habe, auf den Geruch von Eremiten-Larven und deren Kot zu reagieren, sagt Schmidt. Inzwischen könne sie dies aber sehr zuverlässig. Im Solling sei „Tilda“ bereits mehrfach erfolgreich gewesen.
An diesem Tag braucht die Hündin gut eine Viertelstunde, bis sie anschlägt. Sie verharrt mitten im Wald vor einem mehrere Hundert Jahre alten Stamm und springt dann davor in die Höhe. Svenja Schmidt stößt vor der vielfach ausgehöhlten Eiche auf einen kleinen dunklen Haufen. „Das ist Kot von Eremiten-Larven“, sagt die Hundeführerin. Dazwischen liegen kleine Stücke von Chitin-Panzer. „Das ist der Beweis, dass der Baum von Eremiten besiedelt ist.“
Die Niedersächsischen Landesforsten, in deren Wäldern die Eremiten vorkommen, werden den vom Aussterben bedrohten Käfern auch künftig Lebensraum bieten, sagt Sprecher Michael Rudolph. Deshalb würden die alten hohlen Eichen bei Lauenberg nicht gefällt, sondern besonders geschützt. „Tilda“ scheint das zu gefallen. Sie wirkt zufrieden. Vielleicht liegt es aber auch nur am Wiener Würstchen, das sie zur Belohnung fressen darf.