Das Hundeelend in einem Zuchtbetrieb am Niederrhein war groß: Veterinäre befreiten dort im März mehr als 270 Tiere aus ihrer Not. Viele sind bei neuen Familien – doch einige haben kaum Chancen.
Wesel – Sie boten ein erbarmungswürdiges Bild: Verdreckt, verfilzt und verängstigt hockten die possierlichen Hunde dicht an dicht in einem scheußlichen Verlies. Krank, ausgelaugt und von ihrem Züchter als nutzlos aussortiert. Einen Monat nach dem Fund von mehr als 270 größtenteils vernachlässigten Zuchthunden in einer Tierhaltung in Schermbeck bei Wesel werden noch immer Dutzende Tiere ärztlich behandelt. Viele haben schon neues Glück bei lieben Besitzern gefunden. Doch für manche bleiben die Aussichten düster. „Wir haben einige harte Schicksale“, sagt die Weseler Tierheimleiterin Gabi Wettläufer.
Einige hatten sogar Knochenbrüche
Die kleinen Rassehunde, überwiegend Malteser, aber auch Shih Tzu und Yorkshire-Terrier, waren Anfang März von Veterinären des Kreises Wesel aus sehr schlechten Verhältnissen befreit und beschlagnahmt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Ein Großteil der Hunde sei völlig vernachlässigt gewesen. Haut, Mäuler und Krallen waren in schlimmem Zustand. „Einige hatten sogar Knochenbrüche“, sagt Antonius Dicke vom Fachdienst Veterinär- und Lebensmittelüberwachung beim Kreis Wesel auf Anfrage. Die Tierärzte hätten Hunderte Zähne ziehen müssen. Das empfindliche Fell der putzigen Schoßhündchen sei vielfach vom Schmutz so verwoben gewesen, dass die Tiere sich kaum noch bewegen konnten. „Wie von ihren eigenen Haaren gefesselt“, beschreibt es der Veterinär.
Als wir das entdeckten, hat uns fast der Schlag getroffen
Der Zuchtbetrieb sei für etwa 80 Hunde ausgelegt gewesen und regelmäßig kontrolliert worden. Die Züchter hätten jedoch rund 200 Tiere, zumeist alte Zuchthunde und unverkäufliche, teils missgebildete Welpen, in engen Boxen in unzugänglichen Wohnräumen und einem Dachgeschoss versteckt gehalten. „Als wir das entdeckten, hat uns fast der Schlag getroffen.“ Der entscheidende Tipp war anonym aus dem Umfeld gekommen. 30 Mitarbeiter deckten daraufhin die Missstände bei einer Durchsuchung auf richterlichen Beschluss auf.
Im Vorfeld hatte der Fachdienst bereits die Unterbringung der Hunde organisiert. Tierheime in Wesel, Kamp-Lintfort und Straelen räumten jeden Winkel frei. „Wir haben den Mitarbeiterraum und die Abstellkammer bereit gestellt. Auch die Kaninchen mussten vorübergehend zusammenrücken“, sagt Gabi Wettläufer von Tierheim Wesel, wo rund 60 neue Bewohner eingezogen sind.
Sie sind scheu, brauchen viel Geduld und Verständnis und sollten nicht allein vermittelt werden
Alle Tiere seien nach ihrer Befreiung geimpft und gekennzeichnet worden und müssten nun gesund gepflegt werden. Viele haben auch schon neue Familien gefunden. Hunderte Anfragen von Interessenten gingen ein. Zeitweise musste das Weseler Tierheim schließen, um sie zu prüfen und zu bearbeiten.
„Das Interesse freut uns natürlich“, sagt Wettläufer. Dabei seien die kleinen Rassehunde nicht leicht zu halten. „Sie sind scheu, brauchen viel Geduld und Verständnis und sollten nicht allein vermittelt werden.“ Außerdem warteten noch 150 weitere Hunde, Katzen und Kleintiere auf ein neues Zuhause. „Die kommen jetzt leider zu kurz.“
Für Veterinär Antonius Dicke ist die Schermbecker Tierhaltung ein trauriger Rekord. „Dass Menschen Tiere sammeln, das so genannte Animal-Hoarding, kommt in unserer Gesellschaft immer öfter vor. Wir haben mehrfach schon Dutzende Katzen oder Vögel aus Haushalten geholt.“ Doch nie waren es so viele Tiere auf einen Schlag wie in Schermbeck. Dem Züchter sei die Haltung offenbar „völlig aus dem Ruder gelaufen“, sagt Dicke. Die Behörden haben ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot gegen ihn erlassen.