Die Wiener Wauzis haben’s nicht leicht. Laut der geltenden Hundeverordnung dürfen die Hundehalter zwischen Pest und Cholera wählen: Entweder ist der Vierbeiner an öffentlichen Plätzen angeleint oder er trägt einen Maulkorb.
„Es geht uns um die Sicherheit von Kindern oder Joggern in den Wiener Parks und keinesfalls um Schikanen für Hundebesitzer“, sagte die Umweltstadträtin Ulli Sima im Januar anlässlich einer zweiwöchigen Polizei-Aktion, die Hundehalter aufs Korn nahm. Einerseits gut, dass Österreichs Hauptstadt nicht zwischen Kampf- und Friedenshunden unterscheidet und alle potenziellen Kinder-Killer und Jogger-Jäger gleich behandelt, unabhängig von der Rasse und Größe.
Andererseits kommt mir die sorgenvolle Prophylaxe sehr übertrieben vor. Und ungerecht. „Schikane“ trifft es eigentlich ziemlich gut, selbst wenn sie von den Verantwortlichen verneint wird. Wie tickt aber die Wiener Hundeszene? Bei einem zweitägigen Trip in die Walzer-Stadt will ich meine Wissenslücke schließen.
Hundefutter von der blonden Kuh
Als ich am Schaufenster der wunderschönen „Marktwirtschaft“ im 7. Bezirk auf die Stefanie Hofbauer warte, die Eigentümerin von „Oscar & Trudie“, marschieren vor meinen Augen unzählige Hunde vorbei. Kleine, durch schicke Mäntelchen von der klirrenden Kälte geschützt. Und große, die unerschrocken lediglich im Eigenpelz gehüllt daherkommen.
Stefanie, mit der ich für ein Interview verabredet bin, kommt alleine. Schade, ich hätte ihre beiden Hunde gerne kennengelernt. Die gebürtige Wienerin kommt aus einer Hundefamilie. „Es gibt von mir als Kind tausende Fotos mit, neben, unter oder auf einem Hund“, lächelt Stefanie. Auf die Idee von Bio-Hundefutter aus Österreich kam die 37-Jährige vor vier Jahren, nach der Lektüre der Schwarzbücher von Grimm und Ziegler. „Es hat mich tief berührt. Ich war richtig fertig, weil es mir klar geworden ist, wie naiv es ist, Tierärzten und Etiketten einfach zu glauben.“ Die Schockstarre dauerte nicht allzu lange: Erst änderte Stefanie den Diätplan ihrer Hunde und dann das berufliche Leben. Aus einer TV- und Radio-Moderatorin ist eine Unternehmerin geworden, die die alten Weiderassen Blondvieh, Waldlamm und Wildhendl aus dem niederösterreichischen Waldviertel zu einem Bio-Hundefutter im Glas verarbeitet.
„Es ist alles andere als einfach, wir machen aber auf jeden Fall weiter.“ Das „wir“ bezieht sich auf sie und ihren Lebens- und Geschäftspartner Thomas Steinbach, der sich um die Produktentwicklung und die Logistik kümmert. „Ich bin der kreative Part, vollkommen chaotisch und wahnsinnig ungeduldig“, hetzt Stefanie durch das Interview. Ich komme mit dem Tippen kaum noch nach. „Thomas ist der Macher, ein totaler Perfektionist. Ohne ihn gäbe das Unternehmen nicht“. Fressen wie früher, so der Slogan von „Oscar & Trudie“, sagt eigentlich alles darüber aus, was dem Unternehmerpaar wichtig ist: einfach, gesund, naturnah.
Die Zeit wird knapp, Stefanie muss ihren kleinen Sohn abholen und ich zum nächsten Termin. Von dem intensiven Tippen tun meine Handgelenke weh, ich habe aber jede Minute der 1,5 Stunden mit Stefanie genossen. Und über eine ihrer Aussagen werde ich wohl noch lange lachen müssen: „Ich bin begeisterungshysterisch“, sagte Stefanie in unserem Gespräch.
Mit ihrem Enthusiasmus hat die hübsche Blondine sogar die britische „Vogue“ angesteckt: Im März bringt das Magazin eine Geschichte über „Oscar & Trudie“ heraus. Hingen die Überlebenschancen des jungen Start-Ups allein von Stefanies positiven Energie ab, müsste das Bio-Futter ein Dauerbrenner werden.
Wienerisch für Anfänger
Wie die Vinyl-Schallplatte an der Wand, auf deren Cover ein Pudel-Kopf in Schwarz-Weiß abgebildet ist. „Die EP heißt DOGMA und stammt von der Wiener Band Johann Sebastian Bass, die vor kurzem in unserem Laden aufgetreten ist“, erzählt Xiane. Die Marke Mo Sound, die mich in ihren Geschäftsräumen so offenherzig empfängt, steht für wunderschöne Porzellan-Kugellautsprecher, Lautsprecher aus dem 3D-Drucker und Hi-Tech-Kopfhörer.
Dass den Eigentümern Hunde nicht immer nur Freude bereiten, sondern manchmal auch Kummer, stelle ich erst beim Abschied fest: An der Außenfassade, rechts von der Tür steht in schwarzen Druckbuchstaben geschrieben: „Please don’t let your hunzi brunzi“. Was so viel bedeutet wie „Bitte lassen Sie Ihren Hund hier nicht pinkeln“. Das muss ich mir aber erst übersetzen lassen. Des Wienerischen bin ich offenbar nicht mächtig, stelle ich enttäuscht fest.
Vom Keksbuffet zu Franchise-Kette
Etwas enttäuscht bin ich auch, als ich endlich bei meinem eigentlichen Ziel ankomme. An der ochrafarbenen Hausfassade hängen „Dogstyler“-Schilder, die den „Bunten Hund“ ersetzt haben. In seinen Anfängen war das ein kleiner Wiener Einkaufsladen mit Keksbuffet zum Selbstabwiegen. Es war wie ein „Zauberland“, erzählt mir Flora Juraszovich, eine der drei Mitarbeiterinnen. „Mit viel Stimmung und Ornamenttapeten, sehr verspielt“. Später wurde das Geschäft übernommen und sportlicher, cleaner gemacht. Ende 2016 schließlich ist aus „Buntem Hund“ der „Dogstyler“ geworden, ein Kettenglied des jungen deutschen Franchise-Unternehmens.
Das Ambiente mit Holzbalken und hochwertigen Regalen gefällt mir sehr gut, das Sortiment ist aber wenig individuell. „Wir bieten sportliche, funktionelle Produkte, kein Schischi, keine Kleider. Unser Schwerpunkt liegt auf Training und Sicherheit – ob im Auto, bei Maulkörben oder bei Schuhen“, erklärt Flora. „Karlie und Trixie führen wir nicht, viel mehr ein Premium-Hundezubehör. Gute, etablierte Marken wie Hunter, Wolters, K9, Dog with the mission. Kommissionsware, wie in dem früheren Laden, haben wir nicht mehr.“ Und gerade das finde ich schade – in der heutigen Welt der Unifizierung und Globalisierung hätte ich mir ein paar Unikate und liebevoll Handgemachtes gewünscht.
Was den Wiener Dogstyler aber sehr sympathisch macht, sind die drei Tierschutzhunde Monty, Pepper und Bilbo, die dem Verkaufsteam gehören und selbstverständlich zur Arbeit mitgenommen werden dürfen. Als ich den Laden verlasse, spüre ich ihre aufmerksamen Blicke auf meinem Rücken.
Und dann kam Pauli
Es herrscht Feierabendverkehr und die Fahrt in den überfüllten Stadtbahnen kostet mich viel Geduld. Für die 5 Kilometer in Richtung Norden brauche ich zwei Busse, eine U-Bahn und eine gute halbe Stunde, bis ich bei meinem nächsten Ziel ankomme.
„Paulis Hundeausstatter“ ist ein wunderschön eingerichteter Hundeladen und liegt im gut betuchten 19. Bezirk. Seinen Namen verdankt das Geschäft einer Border-Collie-Dame, die der Ladenbesitzerin Sylvia Leinwather und ihrem Ehemann Günter Guttmann gehört. „Als Pauli vor neun Jahren in unser Leben trat, fand ich kein schönes Zubehör für sie“, erzählt Sylvia. „Das brachte mich auf die Idee, eigenes herzustellen.“ Diese Aufgabe übernimmt allerdings Günter, der seinen Job als Masseur an den Nagel gehängt und sich das Nähen beigebracht hat.
Während Sylvia gerade eine Kundin bedient, lasse ich mich in einen gemütlichen Sessel fallen, der in ein warmes Licht einer stilvollen Stehlampe eingetaucht ist. Ich genieße die Wohnzimmeratmosphäre und lasse meinen Blick über die unzähligen bunten Halsbänder gleiten, die über Tische, Regale und Haken verteilt sind. Vichy-Karo, Punkte und Blümchen. Offenbar Sylvias Lieblingsdessins.
Es gibt aber auch schöne Hundebetten, Kuscheldecken, Leckerlibeutel und Futter. Der Schwerpunkt liegt zweifelsohne auf Qualität und Design. Paulis Eigenprodukte entstehen im hinteren Teil des Ladens, in Günters Werkstatt. Alle anderen Produkte im Sortiment stammen von kleinen, meist österreichischen Manufakturen wie die komfortablen Hundebetten der Wiener Marke „Ardilla und Belochka“ oder wunderschöne, mit Stoff überzogene Holznäpfe von „Sigma Design“ aus Graz. „Am Anfang habe ich alles geführt, heute habe ich meinen Weg längst gefunden“, erzählt Sylvia.
„Ich biete keine Schleppleinen und kein Trainingszeug. Meine Sachen sind einfach nur hübsch.“ Aber nicht ohne einen tieferen Sinn: Paulis Frauchen unterstützt regelmäßig unterschiedliche Tierschutzprojekte und ist ein Anlaufpunkt für überzeugte Weltverbesserer: In den Regalen stehen nämlich auch vegane Dosen.
Wien in Zahlen
Laut dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien lebten in der österreichischen Hauptstadt im Jahr 2015 fast 1,8 Millionen Menschen und knapp 55.700 Hunde. Für den Auslauf stehen den Vierbeinern 150 Hundezonen mit 1.069.636 Quadratmetern zur Verfügung. Das sind rund 19 Quadratmeter pro Hund.
Über 86.000 Straßenbäume bieten den Hunden Kommunikations-fläche: Hier darf der Hunzi brunzi. Und hat er ein größeres Geschäft vollbracht, kann sich ein pflichtbewusster Hundehalter an einem der 3165 Gackerlsackerlspender bedienen.
Während meines kurzen Aufenthalts in Wien habe ich leider keinen Tütenspender gesehen – schade, gerne hätte ich ein Sackerl fürs Gackerl als Andenken mitgenommen.