Gerade auf dem Land haben es Zusteller schwer. Mehr als 1800 Mal wurden im Vorjahr Post-Mitarbeiter von Hunden angegriffen. Ein Training soll den Postboten zeigen, wie man sich wehrt.
Greifswald – Die größten Feinde der Postboten sind nicht falsch adressierte Postsendungen oder unfreundliche Kunden, sondern unberechenbare Hunde. Der Weg zum Briefkastenschlitz kann für Zusteller gefährlich sein. Es ist nicht die gelb-schwarze Kluft, die eine entfesselnde Wirkung auf die von den Besitzern als eigentlich friedlich beschriebenen Hunde haben. Postboten vertreiben den Tieren die Langeweile, wenn Herrchen und Frauchen tagsüber arbeiten. Und das Schönste für die Vierbeiner: Der Spaß kommt regelmäßig.
„Postboten sind oftmals die einzige Abwechslung, die Hunde tagsüber haben“, berichtet Hundetrainerin Cornelia Schumacher. Seit zehn Jahren schult sie Zusteller der Deutschen Post im richtigen Umgang mit den Kläffern – so wie an diesem Tag im Juni in Greifswald.
Im Zustellstützpunkt der Hansestadt sitzen zwölf Postboten und fast jeder weiß von unangenehmen Begegnungen zu berichten. Freilaufende Tiere sprinten hinter Postboten her oder springen auch mal über Zäune. „Eigentlich müssten nicht Sie hier sitzen, sondern die Hundebesitzer“, sagt Schumacher ihren Zuhörern. Zunehmend stellt die Polizeibeamtin und langjährige Diensthundeführerin fest, dass Hunde nicht richtig erzogen sind und ihren Besitzern selten aufs Wort gehorchen.
In ihrem Arbeitsvertrag steht nicht drin, dass sie sich den Weg zum Briefkasten unter Einsatz ihres Lebens freikämpfen müssen.
1819 Hundeangriffe auf Postboten
Die Greifswalder Postbotin Christiane Wiedemann hatte bei ihrer Begegnung mit einem Vierbeiner Glück. „Der Mischling hat sich nur im Hosenbein verbissen“, sagt Wiedemann. Doch seit diesem Vorfall habe sie Bammel, wenn sie an das Grundstück komme. „Die psychischen Folgen eines Angriffs sind nicht zu unterschätzen“, sagt Hundetrainerin Schumacher. Zudem sei es durchaus möglich, dass der Hund, der bereits ein Erfolgserlebnis hatte, beim nächsten Mal richtig zupacke.
Nach dem theoretischen Teil folgt die Praxis mit Gustav, einem massigen Molosser der Rasse Broholmer. Auf dem Hof des Zustellstützpunktes lernen die Postboten, wie sie ein Päckchen übergeben, ohne in Gefahr zu geraten. Mit bestimmten Worten und fester Stimme sollen sie den Hundebesitzer auffordern, das Tier an die kurze Leine zunehmen. Das fällt nicht jedem leicht, auch Christiane Wiedemann muss mehrfach üben.
Bundesweit sorgen täglich mehr als 80 000 Postboten dafür, dass Pakete und Briefe an der Haustür ankommen. Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben der Deutschen Post 1819 Hundeangriffe auf Postboten. Bei etwa 850 Attacken seien die Verletzungen so erheblich gewesen, dass die Zusteller einen oder mehrere Tage ausfielen, sagt der Sprecher der Deutschen Post, Jens-Uwe Hogardt.
Damit wird im Durchschnitt einer von hundert Zustellern im Jahr Opfer einer größeren Hundeattacke, überwiegend von Bissen. Einer Statistik der Unfallversicherung BG Verkehr zufolge haben es die Tiere vor allem auf Wade und Knie (42 Prozent) abgesehen. Auch Hüfte und Oberschenkel (23 Prozent) gehören in der Bissstatistik vor Unterarm und Hand zu den gefährdetsten Körperteilen.
Hundeangriffe sind kein Einzelproblem für Postboten
Um eine Eskalation mit freilaufenden Hunden zu vermeiden, sollten Postboten keinesfalls vor dem Tier wegrennen, warnt Schumacher. „Das weckt den Jagdtrieb im Hund.“ Vielmehr solle der Postbote mit demonstrativem Selbstbewusstsein reagieren, stehen bleiben, laut mit dem Fuß aufstampfen und kräftig „Haust du ab“ brüllen. Setzt der Hund zum Biss an, sollten Postboten möglichst eine Barriere schaffen. Das Postfahrrad oder das Paket in den Händen könne dabei helfen.
Für Betriebsleiterin Carola Dettmann am Zustellstützpunkt Greifswald mit 350 Postboten sind Hundeangriffe kein Einzelproblem. Seit vergangenem Dezember habe sie 50 Briefe an Hundebesitzer geschickt, weil Postboten Vorfälle mit Vierbeinern gemeldet hatten. In den Briefen bitte sie die Hundehalter, ihre Briefkästen außerhalb des Bewachungsbereiches der Hunde anzubringen. „Doch leider reagieren nicht alle Hundebesitzer einsichtig“, sagt Dettmann.
Schumacher empfiehlt den Zustellern, nach jedem Angriff Anzeige zu erstatten. Dies sei auch notwendig, um später zivilrechtliche Forderungen durchzusetzen. Manchmal aber bekommen sogar die Zusteller noch Ärger. So habe ein Postbote als Abwehr eines Angriffs dem Hund einen Stapel Briefe entgegengehalten. Einige Tage, nachdem sich der Hund über die Briefe statt über den Postboten hergemacht und diese zerfetzt hatte, ging eine Beschwerde des Halters bei der Post ein. Sein Vorwurf: Der Postbote habe die Briefe nicht ordnungsgemäß zugestellt.
Bei uneinsichtigen Besitzern mit aggressiven Hunden empfiehlt Schumacher den Zustellern auch mal den geordneten Rückzug. „In ihrem Arbeitsvertrag steht nicht drin, dass sie sich den Weg zum Briefkasten unter Einsatz ihres Lebens freikämpfen müssen.“
Streicheleinheiten vom Postboten
Trotz der vielen Attacken gibt es aber auch Hunde, die sich auch sehr über Besuch vom Postboten freuen, wie dieses Video beweist. Ein UPS Paketbote begrüßt seine Fellfreunde.