Hundekotbeutel genießen in der Hundeszene sicherlich nicht so viel Aufmerksamkeit wie die Hundeernährung oder Erziehung. Doch auch bei den Verdauungsergebnissen und ihrer Verpackung driften die Meinungen der Halter extrem auseinander. Von der natürlichen Variante mit „Liegenlassen bis der nächste Regen kommt“ über „Vorbildlich in den Mülleimer werfen“ bis hin zum „Eintüten und im Gebüsch entsorgen“ sind alle Scheißweltanschauungen vertreten. Was ist aber richtig? Gehört Hundekot in Bioplastik-Folie aufs Feld? Ist Kunststoff nur böse? Machen Fäkalien den Kompost wertlos?
Hundehaufen zählen zweifelsfrei zu der Kategorie der ganz unbeliebten Themen. Ästhetisch eine Katastrophe, gesellschaftlich – wörtlich und bildlich – ein Minenfeld und ökologisch ein Zankapfel. Schaut man hinter die Kulissen der unterschiedlichen Hundekotbeutel-Hersteller und hakt bei den Entsorgungsunternehmen nach, wird einem ganz bange.
Klug sein hat eben nicht immer einen Vorteil. Halter, die über den Napfrand schauen und sich ökokonform verhalten wollen, stoßen bei den unterschiedlichen Gassisäckchen auf eine ganze Reihe Eigenschaften, die ihnen schon mal den Schlaf rauben können. Dumm schläft eben gut.
Große Geschäfte gut verpackt
Längst hat der Handel den Hundekotbeutel als profitbringendes Produkt erkannt und in den reellen oder virtuellen Regalen fest etabliert. Auf dem Markt gibt es eine ganze Phalanx von transportablen Hüllen für das große Geschäft. Hier gibt es die herkömmlichen Kunststoff-Tütchen aus Polyethylen (PE) sowie Recycling-Beutel aus PET-Flaschen. Im Angebot finden sich zusätzlich Bio-Plastik und kompostierbare Alternativen.
Die Meinungen über den Sinn und Unsinn der jeweiligen Lösungen gehen weit auseinander. Keine der Optionen ist ökologisch 100% einwandfrei, meist allerdings aus Kostengründen und nicht aus Mangel an Innovationskraft. Denn selbst wenn eine perfekte Hundekottüte technisch möglich wäre und aus rein pflanzlichen Resten bestehend, nicht Erdöl-basiert und bereits bei 20-30°C in freier Natur kompostierbar ist, müsste diese erst unter Energieaufwand hergestellt werden. Die Herstellungskosten treiben den Endpreis in jedem Fall massiv in die Höhe.
Hundekot in Plastiktüten, die anschließend in der Umwelt liegengelassen werden, ist aus Sicht des Umweltschutzes auch sehr kritisch zu betrachten. Eindeutig positiv bleibt lediglich die Tatsache, dass sich die Hersteller überhaupt Gedanken über die Natur machen und nach der möglichst umweltschonensten Möglichkeit suchen.
Hundekotbeutel aus Plastik dominieren
Die populärste und billigste Variante besteht natürlich aus Plastik. Bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa die Stadt Mölln, die auf Hundekotbeutel aus Recycling-Karton setzt oder Wilhelmshaven und Geesthacht, wo kompostierbare Tütchen in den Spendern hängen, ist Plastik die erste Wahl bei den meisten Kommunen, die die Kotbeutel kostenlos zur Verfügung stellen.
Die Kunststoff-Tütchen werden aus rohem Erdöl gewonnen, greifen also auf eine endliche Ressource zu und sind biologisch nicht abbaubar. Sie tragen auch nicht unerheblich zu der globalen Plastiküberflutung bei: Von 10.000 Plastiktüten, die in Deutschland pro Minute (!) zum Einsatz kommen, entfallen knapp 4 % auf die Gassisäckchen.
Landen sie im Mülleimer, werden sie von den kommunalen Entsorgungsunternehmen verbrannt und erzeugen noch wertvolle Energie. Bleiben sie aber in der Landschaft liegen, überdauern die Beutel Jahrhunderte und verseuchen anschließend in Form von Mikroplastik den Boden und das Grundwasser.
Reduktion durch Wiederverwertung
Die Recycling-Tüte aus wiederverwertetem Plastik, verrottet ebenfalls nicht. Sie verschwendet aber deutlich weniger Erdöl und minimiert die Emissionen. In der Regel bestehen solche Hundekotbeutel aus ca. 80 % gebrauchtem Kunststoff. Die CO2-Ersparnis gegenüber dem PE-Neugranulat kann sogar über 70 % betragen. Eine zusätzliche Erdölforderung ist nicht notwendig, der Boden wird deutlich weniger beansprucht. Verwertung statt Verschwendung, heißt hier die Devise.
„Für uns war das eine ganz bewusste Entscheidung, auf Recycling-Granulat zu setzen, obwohl wir in den Anfängen an die biologisch abbaubare Version gedacht haben“, erzählt Daniel Oswald, Gründer der Marke pooplino. „Durch unser Produkt werden weder Maisplantagen beansprucht noch kommt Lebensmittelverteuerung zustande. Wir verbrauchen auch kein Rohöl. Das ist ein Produkt aus Bestandteilen, die schon da sind und die andere weggeworfen haben“.
Bio-Wundertüte
Bio-Beutel lassen vor allem die Herzen umweltfreundlicher Hundehalter höher schlagen. Hier liegt auch ein großes Potenzial, Kottüten sind ja schließlich noch kurzlebiger als Einwegeinkaufstüten. Der Begriff Bio-Plastik ist allerdings nicht geschützt und ruft oft positivere Assoziationen hervor als er es verdient.
„Bio“ im Zusammenhang mit Kunststoff hat zwei Bedeutungen: den Ursprung des Produktes – dann heißt es biobasiert – oder den Abbau unter definierten Bedingungen. In dem Fall darf sich so eine Tüte „bioabbaubar“ nennen. Biologisch abbaubar ist ein Material dann, wenn es durch Lebewesen oder vielmehr deren Enzyme bis in kleinste Bestandteile wie Kohlendioxid, Sauerstoff und Ammoniak zersetzt werden kann.
Die biobasierten Hundekotbeutel entstehen teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen, also Biomasse wie etwa Mais, Zuckerrohr, Weizen oder Kartoffeln. Hier handelt es sich also um eine pflanzliche Basis der Folie und die Schonung knapper Ressourcen, wie Erdöl.
Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist leider nicht jede Plastiktüte aus nachwachsenden Rohstoffen auch biologisch abbaubar. Und nicht jedes biologisch abbaubare Tütchen wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. „Biobasierte Kunststoffe können genauso beständig sein wie die aus fossilen Rohstoffen und umgekehrt. Es gibt auch erdöl-basierte Kunststoffe, die biologisch abgebaut werden können“, erläutert Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt.
„Ob eine Tüte biologisch abbaubar ist oder nicht, entscheidet nicht ihre Rohstoffbasis, sondern vielmehr der verwendete Kunststoff und weitere Eigenschaften. Die Prüfung der biologischen Abbaubarkeit ist durch die DIN-Norm EN 13432 geregelt, unabhängig davon, ob der Rohstoff eine aus fossilen oder einen nachwachsenden Ursprung hat“, ergänzt der Verpackungsexperte. Verwirrung pur oder? Hier hat „bio“ offenbar nichts mit „ökologisch“ zu tun. Bioplastik schont zwar fossile Bodenschätze, die Umwelt aber weniger als erhofft.
Oxo was?
Eine besondere Art von Bio-Plastik stellen die oxo-biologisch abbaubaren Tüten dar, die im Kern aus Erdölprodukten bestehen, bei der Herstellung aber mit den TDPA (Totally Degradable Plastic Additives) behandelt wurden. Diese chemischen Zusätze beschleunigen den Zerfallprozess der Folie, die dann unter der Sonne, Feuchtigkeit und mechanischem Druck schneller zerfällt, je nach Anteil der chemischen Verbindungen sogar innerhalb von 12 bis 24 Monaten.
Laut Informationen des Europäischen Parlaments* über Verpackungen und Verpackungsabfälle stellen die oxo-biologisch abbaubaren Tüten aber die ökologisch unattraktivste Variante in Bezug auf die Abbaubarkeit dar.
Im Falle dieser Kunststoffe werden herkömmlichen Kunststoffen „oxo-biologisch abbaubare“ Zusatzstoffe, in der Regel Metallsalze, zugesetzt. Aufgrund der Oxidation dieser Zusatzstoffe zerfallen die Kunststoffe in kleine Partikel, die in der Umwelt verbleiben. Die Bezeichnung dieser Kunststoffe als „biologisch abbaubar“ ist also irreführend. Durch den Zerfall in kleine Partikel wird sichtbarer Abfall, beispielsweise in Form von Kunststofftüten, zu unsichtbarem Abfall in Form sekundärer Kunststoff-Mikropartikel.
Dadurch wird das Abfallproblem nicht gelöst – die Umweltverschmutzung durch diese Kunststoffe wird sogar noch verstärkt. Aus diesem Grund sollten derartige Kunststoffe nicht für Kunststoffverpackungen verwendet werden. Diesen Standpunkt teilt auch das Umweltbundesamt. „Wir stehen dem oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff sehr kritisch gegenüber“, betont Gerhard Kotschik. „Die Bezeichnung ist irreführend und sie belasten die Umwelt. Die Tüte wird zwar recht schnell unsichtbar, gelangt aber als Mikroplastik in den Boden und in Gewässer“.
Der Oxo-Beutel kann sogar noch weiteren Schaden anrichten. „Gelangen die oxo-abbaubaren-Tüten in die gelbe Tonne, können sie tendenziell auch den Recycling-Prozess stören“, ergänzt Gerhard Kotschik. Doch oxo hin oder her, Müll gehört einfach nicht in die Natur, ganz egal ob biologisch abbaubar oder nicht, egal ob Papier oder Reste vom Apfel.
Kompostierbar gleich gut?
Ein Apfel im Verhältnis zum Bio-Plastik hätte in der Natur allerdings deutlich mehr Vorteile. Wer jetzt nämlich denkt, dass bei dem „besseren“, also biologisch abbaubaren Bioplastik alles rund läuft, wird enttäuscht. Denn nicht alles, was biologisch abbaubar ist, ist auch kompostierbar.
Das Merkmal „kompostierbar“ bezieht sich auf Industrieanlagen mit der Temperatur von mindestens 55°C, also nichts, was ein Gebüsch im Park einer Hundekottüte bieten kann. Laut einer DIN-Norm** gelten nur die Kunststoffe als kompostierbar, die unter industriellen Bedingungen innerhalb von 12 Wochen zu 90 Prozent zerfallen.
Durch den Einfluss von Hitze, Feuchtigkeit, Sauerstoff und Bakterien oder Pilzen wird solche Folie dann zu Wasser und Kohlendioxid. Beim Kompost geht es also hauptsächlich um den Abbau pro Zeit. Kompostierbar können interessanterweise sowohl Kunststoffe aus pflanzlichen Bestandteilen als auch rohölbasierte Produkte sein. In der Regel bestehen die kompostierbaren Hundekotbeutel tatsächlich aus beiden Rohstoffen zu unterschiedlichen Anteilen.
Von Kot, Kötteln und Kompost
Die Kompostierung moderner, biologisch abbaubarer Tütchen ist in der Theorie zwar gut möglich, wird aber aus hygienischen und technischen Gründen nicht praktiziert. Es geht dabei weniger um Ansteckungsgefahr wegen möglicher Keime sondern vielmehr um die Psyche. „Ob Eier von Insekten, Spülwürmer oder Salmonellen – nach zwei Wochen in über 55°C werden alle Keime abgetötet. Allerdings werden in vielen Industrie-Kompostieranlagen die Abfälle noch händisch sortiert.
„Man will den Menschen den Kontakt mit Kot nicht zumuten“, erklärt Michael Schneider vom VHE, dem Verband der Humus- und Erdenwirtschaft e. V. „Auch Speisereste sind nicht hygienisch, diese packt man aber noch eher an als Hundekot. Es gehe dabei aber auch um die Qualität der Biomasse“, betont der VHE-Geschäftsführer.
„Wenn der Kompost plötzlich zu 50 % aus Bio-Plastik besteht, ob Hundetüte oder Joghurtbecher, ist die Qualität des Endproduktes ganz anders. Gemäß des Düngemittelrechts muss jede Komponente auch genau deklariert werden. Und wenn die Hobbygärtner wüssten, dass der Kompost jetzt auch Fäkalien von Babys und Haustieren beinhaltet, hätten sie dazu eine andere Haltung.“
Die Macht der Psyche ist eben nicht zu unterschätzen. Während man noch Pferdeäpfel oder Kaninchenköttel akzeptieren würde, hört die Toleranz bei Hundekot schlagartig auf.
Bei der unerwünschten Fusion von Kot und Kompost spielen aber auch ganz handfeste, nicht nur mentale Gründe eine Rolle. Bisher sind weder Menschen noch Maschinen imstande, kompostierbares Bio-Plastik von der herkömmlichen PE-Tüte zu unterscheiden. „Deswegen werden alle Fremdkörper aussortiert, egal ob mittels Infrarot- und Windtechnik oder manuell“, ergänzt Michael Schneider.
Der ultimative Kotbeutel?
Wer von den Tüten-Herstellern weiter gehen will und auch die Heimkompostierung anstrebt, entwickelt sein Produkt weiter. Die Zertifikate „OK compost home“ oder „DIN-geprüft gartenkompostierbar“ bescheinigen, dass sich solch eine Tüte auch unter normalen Bedingungen, also in der Natur zersetzen kann. Doch auch das gelingt nur bedingt. „Es kommt auf die Umgebung an“, schränkt Arne Krämer, der Ideengeber der Poop Bag Map und Sales Manager der People Sustainable GmbH ein.
„Bleibt ein kompostierbarer Hundekotbeutel unter einer Brücke liegen, also im Schatten, kann sie dort ohne Probleme Jahre überstehen. Ein Laubblatt übrigens auch. Und eine industriell kompostierbare Tüte baut unter Umständen gar nicht oder nur teilweise ab.“ Seine langfristigen Tests haben ergeben, dass viele heimkompostierbare Beutel sogar nach einem Jahr noch fast vollständig erhalten waren. „Selbst unser bestes Material, die Bio-Hundetüte, gewonnen zu 40% aus Kartoffelschalen der europäischen Pommesproduktion, hat 90 Tage nicht ganz geschafft“, gibt Arne Krämer zu.
Mühe für die Katz?
Spätestens jetzt muss jedem Hundehalter ein Licht aufgehen: Unabhängig davon, aus welchem Material eine Kottüte besteht und in welchem Verfahren sie entsteht, sie gehört nicht in der Natur entsorgt. Ganz abgesehen von der optischen Verschandelung der Landschaft, scheint der Abbauprozess der selbst als kompostierbar deklarierten Tüten langwieriger und komplizierter zu sein als angenommen und an besonders optimale Witterungsbedingungen geknüpft.
Die kompostierbaren Gassisäckchen sind kein Freischein für die Entsorgung der Hundekotbeutel im Gebüsch! Hier geht es vielmehr um Schadensbegrenzung. Lassen Hundehalter die verpackten Darmerzeugnisse ihrer Lieblinge in der Natur liegen, richten die abbaubaren Tütchen weniger Schaden an als herkömmliche, weil sie nun doch schneller zerfallen.
Liest man allerdings die Produktbewertungen in Shopping-Portalen oder Foren, wird einem ganz schnell klar, dass die meisten Hundehalter, die sich der Umwelt zuliebe für die teuren Tütchen entscheiden, um sie im Park oder Wald zu entsorgen, auch der Überzeugung sind, dass sie ökologisch einwandfrei handeln. Kein Wunder. Schließlich lassen die Werbeslogans die Halter im Glauben, dass sie mit „kompostierbaren“, „wassserlöslichen“ oder „biologisch abbaubaren“ Hundekotbeuteln etwas Gutes für die Umwelt tun.
Der Hundekotbeutel muss in den Müll
Das Scheiß-Fazit ist mehr als ernüchternd: Zwar entsteht bei Produktion, Einsatz und Entsorgung biologisch abbaubarer Folien weniger CO2 und Erdöl-Reserven werden sparsamer angezapft, auf der anderen Seite stehen aber nachteilige Effekte auf Boden und Gewässer durch Versauerung und Überdüngung. Geht es um die Schonung der Erdöl-Reserven, scheinen die biobasierten Tüten aus nachwachsenden Rohstoffen eine gute Alternative zu sein.
Lebensmittel für Hundekotbeutel zu verwenden ist zwar nicht Jedermanns Sache, der Flächenbedarf, der für den Anbau der Pflanzen in Deutschland aktuell besteht, beträgt weniger als 0,001% der globalen Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen. Setzt man auf die möglichst schnelle Zersetzung (oder verteilt die Tüten fälschlicherweise in der Natur), soll man zu den heimkompostierbaren Tüten greifen. Diese zerfallen zuversichtlich und vollständig allerdings nur in optimalen Bedingungen und bedienen sich teilweise auch des Rohöls, einer wertvollen und endlichen Ressource.
Die Recycling-Tüte aus PET-Flaschen scheint noch am sinnvollsten zu sein, weil sie Rohöl-Reserven schont und den Plastik-Müll reduziert. In der Natur überlebt sie aber – ähnlich wie die PE-Tüte aus Neugranulat – 100 bis 500 Jahre. Einen Tod stirbt man immer. So eine Kacke.
* „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. April 2014 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle im Hinblick auf eine Verringerung der Verwendung von Kunststofftüten (COM(2013)0761– C7-0392/2013 –2013/0371(COD)) (Ordentliches Gesetzgebungsverfahren: erste Lesung) (Abänderung 17)“