Für süße Hundewelpen beliebter Rassen greifen Tierfreude tief in die Taschen. Für Betrüger, die Tiere aus Osteuropa als Eigenzucht anbieten, ein wenig riskantes Geschäft mit dicken Gewinnen. Ermittler haben im Siegerland bandenmäßige Strukturen entdeckt.
Kreuztal – Hinter dem großen grünen Eisentor bot sich den Ermittlern und Tierärzten ein erschreckendes Bild. 105 Hunde, darunter etliche verletzte und kranke Tiere, die behandelt werden müssen. „Die Tiere lebten unter kaum vorstellbaren und katastrophalen hygienischen Bedingungen, selbst tote Tiere lagen auf dem Grundstück und im Haus“, schildert die Polizei nach ihrer Durchsuchungsaktion im siegerländischen Kreuztal.
Es geht um Hundewelpen aus Osteuropa, die mit falschen Papieren als reinrassige Hunde renommierter deutscher Züchtungen massenhaft verkauft worden sein sollen. Und es geht um bandenmäßige Strukturen, wie die Ermittlungsgruppe „Chip“ vermutet.
Hundewelpen für das 10-fache weiterverkauft
„Uns liegen mehr als 200 Anzeigen von betrogenen Kunden vor“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hagen, Gerhard Pauli. Die beschuldigte Hundezüchter-Familie aus Kreuztal soll Welpen aus Polen und der Ukraine für 100 Euro importiert und dann als „liebevoll“ in der Familie gezüchtet für das Zehnfache weiterverkauft haben. Dem 64 und 53 Jahre alten Ehepaar wird bandenmäßiger Betrug vorgeworfen.
Auch die 22 und 25 Jahre alten Töchter des Züchterpaares wurden in Untersuchungshaft genommen. Eine ebenfalls verhaftete Tierärztin aus dem benachbarten Hessen sei inzwischen aus der U-Haft wieder entlassen worden, nachdem sie zugegeben habe, Impfpapiere ausgestellt zu haben, ohne die Tiere jemals gesehen zu haben, erläutert Pauli.
Welpenhandel lukrativer als Drogenhandel
Der kriminelle Welpenhandel in Kreuztal ist nach Einschätzung der Ermittler kein Einzelfall. „Das ist ein weit verbreitetes Geschäft, unter Umständen ist das lukrativer als Drogenhandel“, verdeutlicht der Staatsanwalt. Im Rahmen der seit einem halben Jahr laufenden Ermittlungen wegen organisierter Kriminalität gibt es nach seinen Angaben bundesweit insgesamt zehn Beschuldigte. Neben der großangelegten Durchsuchung in Kreuztal fanden drei weitere Aktionen statt. Dabei ging es unter anderem auch um gefälschte Ahnentafeln.
Nach Einschätzung von Udo Kopernik vom Verband für das Hundewesen (VDH) in Dortmund geht es bei den Machenschaften mit Hundewelpen aus Osteuropa um ein Millionengeschäft. „Das ist für die kriminellen Händler relativ gefahrlos und sie verdienen offenbar ähnlich viel wie beim Drogenhandel.“ In Deutschland würden pro Jahr schätzungsweise 450 000 bis 500 000 Hundewelpen verkauft. Davon komme etwa Hälfte aus dem Ausland. „Die bei uns organisierten Züchter haben jährlich rund 90 000 Welpen, mit den Welpen anderer Züchter oder ungewollten Würfen kommt man vielleicht auf bis zu 250 000 Welpen“, rechnet Kopernik vor. Der Rest müsse ja irgendwo her kommen.
Welpenhandel mit Modehunderassen
Offensichtlich werde Anteil osteuropäischer Zuchtstationen am Hundenachwuchs bei den Modehunderassen wie der Französischen Bulldogge: „Wir hatten 280 Nachzuchten von Französischen Bulldoggen, beim Haustierzentralregister „Tasso“ wurden 2015 rund 5000 Welpen dieser Rasse registriert“, verdeutlicht Kopernik. „Tasso“-Sprecherin Marie-Christin Gronau beklagt auch den Zustand vieler Hundebabys aus Osteuropa. „Da kommen die Modehunderassen-Welpen her. Die Tiere sind krank, nicht geimpft und zu früh von der Mutter weg.“ Viele überlebten das Welpenalter nicht. Die Tiere stammten auch nicht aus einer Zucht, sagt sie: „Für uns sind das Vermehrungsstationen.“
Tierschützern waren die Zustände auf dem Grundstück in Kreuztal schon seit langem ein Dorn im Auge. „Da gibt es seit Jahren Probleme“, sagte Tanja Günther vom Vorstand der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch, die die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte.
Die beschuldigten Hundezüchter konnten ihre einträglichen Geschäfte mit den Vierbeinern lange relativ ungestört durchführen. Die Betrüger operierten nach Einschätzung von Pauli sehr verdeckt. „Sie haben ihre Namen gewechselt und den Kunden ihre Adresse nicht preisgegeben, sondern sich irgendwo in der Nähe mit denen getroffen“, sagte Pauli.
Welpenhandel stoppen
Das findet Tasso-Sprecherin Gronau erschreckend: „Jeder normale Mensch muss doch wissen, dass etwas nicht stimmt, wenn man einen Hund auf dem Parkplatz übergeben bekommt.“ So lange kriminelle Händler Kunden finden, die ihnen aus Mitleid oder um zu sparen auf den Leim gingen, gehe das schmutzige Geschäft weiter. „Nur die Käufer können den Sumpf um die qualvoll produzierten Ostblock-Welpen austrocknen.“