Im Oktober 1916 übergab der Deutsche Verein für Sanitätshunde den ersten aller systematisch ausgebildeten Blindenführhunde an den Kriegsblinden Paul Feyen. 100 Jahre später würdigt der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) dieses Ereignis mit einer Wanderausstellung, einer Buchpremiere, einer Resolution und einem Treffen von Führhundhaltern aus ganz Deutschland.

Im Ersten Weltkrieg wurden in Deutschland Blindenführhunde vor allem an erblindete Soldaten übergeben, aber in den folgenden Jahren profitierten zunehmend Zivilblinde von den „Helfern auf vier Pfoten“. Das fand auch im Ausland viel Beachtung und die Idee der systematischen und institutionellen Ausbildung von Führhunden führte zu Neugründungen von Schulen in der Schweiz, in England und den USA. Seitdem verlassen sich weltweit blinde und sehbehinderte Menschen auf die Führleistungen ihrer Hunde.

Blindenhunde sind Hilfsmittel mit Seele

Führhunde sind aber nicht nur „sehende Assistenz“. Sie sind „Hilfsmittel mit Seele“. Ein Führhund bietet Hilfe und Freundschaft und steht seinem Halter rund um die Uhr zur Verfügung – und das ein Leben lang. Das macht ihn einzigartig. Denn selbst die sich stetig weiterentwickelnden Technologien können die Leistungen eines Führhundes allenfalls ergänzen, nicht ersetzen.

Resolution für Blindenführhunde

Einhundert Jahre später möchte der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) auf aktuelle Probleme bei der Ausbildung und dem Einsatz von Führhunden hinweisen. Deshalb haben heute zehn Führhundhalter eine Resolution mit den wichtigsten Forderungen des Verbandes an den Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer überreicht.

Die Übergabe fand in Anwesenheit der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, sowie der behindertenpolitischen Sprecher der Fraktionen vor dem Reichstagsgebäude statt.

In der Resolution wird unter anderem thematisiert, dass es keine verbindlichen und transparenten Mindeststandards für die Ausbildung von Führhunden gibt. Der Verband fordert zudem eine Ergänzung der Behindertengleichstellungsgesetze, damit der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen nicht wegen eines Führhundes versagt werden kann.

100 Jahre Ausbildung von Blindenführhunden in Deutschland

Der DBSV würdigt das Jubiläum mit einer Wanderausstellung, einer Buchpremiere und einem Treffen von Führhundhaltern aus ganz Deutschland. Die Aktivitäten werden gefördert durch die Aktion Mensch.

Der Autor Detlef Berentzen ist ein echter Hundeexperte. Im Buch „Blindenführhunde – Kulturgeschichte einer Partnerschaft“ macht er sich auf eine Reise durch die Zeit, durch Höhen und Tiefen im Zusammenleben von Hund und Mensch. Er beschreibt, wie Zeitgeist, Mentalität, Kriege und Regime die Ausbildung der Führhunde und die besondere Koalition von blinden Menschen und ihren „Augen auf vier Pfoten“ beeinflussten.

Historische Fakten und Infos rund um das Führhundjubiläum findet ihr auf der Seite Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband – DBSV.

„Woche des Sehens“ vom 8. bis 15. Oktober 2016

Um Führhunde geht es auch in der Woche des Sehens vom 8. bis 15. Oktober 2016. Getragen wird die Aktionswoche von der Christoffel-Blindenmission, dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, dem Berufsverband der Augenärzte, dem Deutschen Komitee zur Verhütung von Blindheit, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, dem Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf sowie der PRO RETINA Deutschland. Schirmherrin ist die Fernsehjournalistin Gundula Gause.

Blindenführhunde und ihre faszinierenden Fähigkeiten

Es ist faszinierend, einen blinden Menschen mit seinem Führhund zu beobachten. Zielsicher gehen beide durch den dichtesten Verkehr, überqueren Straßen und suchen Geschäfte auf. Es sieht spielend leicht aus, bedeutet aber äußerste Konzentration für Hund und Halter.

Der Hund muss abgestellten Fahrrädern, Einkaufstaschen, Blumenkübeln und Passanten ausweichen. Dabei muss der Blindenführhund darauf achten, dass sich der blinde oder hochgradig sehbehinderte Mensch nicht an herabhängenden Markisen stößt. Gleichzeitig muss er Bodenhindernisse wie Treppen oder Absätze anzeigen. Auf Hörzeichen findet er Treppen und Türen, Ampeln, Zebrastreifen und freie Sitzplätze. Dabei muss er sich aber dem Hörzeichen zum Gehen widersetzen, wenn beispielsweise die zu überquerende Straße nicht frei ist.

Ein Team aus Hund und Halter

Der Halter muss den Bewegungen des Hundes, die er über das Führgeschirr vermittelt bekommt, folgen und dem Hund die notwendigen Hörzeichen geben. Damit das Zusammenspiel des auch „Gespann“ genannten Teams aus Halter und Hund funktioniert, muss der Blindenführhund sehr viele Dinge können. Dinge, die sehende Menschen ganz unbewusst umsetzen, die aber für Hunde ganz und gar ungewöhnlich sind.

Belohnen statt Bestrafen

Aber wie erwerben die Hunde diese Fähigkeiten? Vor 100 Jahren benutzte man drakonische Dressurmethoden. Unter anderem wurden die Hunde mit einer Peitsche misshandelt. Die moderne Führhundausbildung funktioniert dagegen nach dem Prinzip der positiven Verstärkung. Dafür brauchen die Trainer neben Fachkompetenz vor allem Geduld – und immer ein Leckerchen in der Tasche, wie ein Film des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) zeigt.

Unter dem Titel „Belohnen statt Bestrafen“ wird in zwölf Minuten erläutert, wie ein Hund durch unzählige kleine Lernschritte in Verbindung mit Erfolgserlebnissen die kompliziertesten Aufgaben erlernt und Freude dabei hat. „Ein Führhund und sein Halter müssen partnerschaftlich zusammenarbeiten“, erläutert Fachreferentin Sabine Häcker vom DBSV. „Eine Ausbildung auf Basis von positiver Verstärkung macht sie fit für anspruchsvolle Herausforderungen.“

Der Film „Belohnen statt Bestrafen“ wurde gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Hamburger Blindenstiftung. Der Film steht auf Woche des Sehens auch als Hörfilm zur Verfügung, also in einer Version mit zusätzlichen Bildbeschreibungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Auf Wunsche können Untertitel zugeschaltet werden.

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