Politisch gesehen ist Mecklenburg-Vorpommern eine Katastrophe. Als Urlaubsziel eignet es sich allerdings einwandfrei vor allem wer gerne in einem Ferienhaus am See sein möchte, AfD-Sieg hin oder her. Sieht man von den ungewöhnlich vielen NPD-Wahlplakaten ab, die an gefühlt 90 % aller Straßenlaternen hängen, begrüßt das Bundesland seine Besucher mit urigen Wäldern, unzähligen Seen und verschlafenen Dörfern. Ein Paradies für Mensch und Hund.
Nach der perfekten Ferienlocation für Zwei- und Vierbeiner gefragt – genau genommen nach „Urlaub mit Hund im Ferienhaus am See“ – spuckt Google auf der dritten oder vierten Seite die Amys Wohlfühlvilla, idyllisch am Großen Labussee gelegen, einem der zahlreichen Seen der Mecklenburgischen Seenplatte.
Trotz der angestaubten Aufmachung ist mir die Webseite seltsam sympathisch: Kritisch nach der Hundefreundlichkeit beäugt, verspricht das Ferienhaus ihren vierbeinigen Gästen eine Badestelle mit Strand, ein überdachtes Schwimmbad, große Gartenfläche ohne Leinenzwang und sogar ein Hunde-Verwöhnprogramm mit Rücken- oder Ohrenreflexmassagen.
Frauchen und Herrchen sollen in Amys Wohlfüllvilla ganz nebenbei auch in den Genuss von Wellness-Behandlungen kommen dürfen. Perfekt für einen effektiv-entspannenden Urlaub mit Hund.
Ferienhaus für Hund und Halter
Mit dem imaginären Bild von Gurkenmaske für die hündische Schnauze im Kopf buche ich kurzerhand ein Häuschen und stehe drei Wochen später nach nur zwei Stunden Autofahrt vor dem Treppenaufgang zum Ferienhaus „Fischerhütte“.
Ein holzverkleidetes Häuschen im seltenen Taubenblau, mit einem Tonhahn auf dem Dach, eingebettet zwischen drei hochgewachsene Kiefern. Der Schatten, den sie werfen, fällt mir im Inneren der Hütte als erstes auf. An richtig heißen Tagen mag das ein Segen sein. Anfang September wirken die Räume aber arg düster.
Die Küche begrüßt mich mit einer wohlproportionierten Mischung aus Kitsch und Charme. Ordentlich in die Jahre gekommene Möbel der in den 80ern weit verbreiteten Marke „Eiche rustikal“, allerlei Plastik-Nippes an den Wänden, ein wunderschöner alter Brotschneider und die coolste Retro-Tapete, die ich je gesehen habe: ein süßes Rote-Johannisbeeren-Muster auf naturweißem Hintergrund, der früher möglicherweise schneeweiß war.
Original Deutsche Demokratische Republik, versteht sich. Ein talentierter Innenausstatter würde aus dem Raum eine schöne Landhausküche mit nonchalanter DDR-Romantik zaubern. Doch so ist das einfach nur eine alte, abgenutzte Küche mit gefährlich vorstehender Holz-Abzugshaube und Schubladen, die herausfallen, wenn man sie zu schwungvoll herauszieht. Ich fühle mich auf Anhieb wie bei meiner Oma: angeheitert von den geschmacklosen Staubfängern und altbackenem Design, aber heimisch und vertraut.
Ferien auf vier Beinen: Hundehalter als Zielgruppe
„Die Fischerhütte ist unser Verkaufsschlager“, verrät mir die Besitzerin Alice Borchard. „Die anderen Zimmer sind renoviert und das Gebäude mit den Ferienwohnungen neu gebaut. Ich dachte, dass die alte Hütte von den Gästen verschmäht wird, aber sie ist immer als erste reserviert, meist von Stammgästen“. Das kann ich mir auch gut vorstellen: Die Fischerhütte ist als einzige etwas abseits gelegen, man hat keine direkten Nachbarn (also potenziell auch keine Hunde, die sich nicht vertragen) und es gibt einen Kaminofen.
Da nimmt man als Hundehalter den altbackenen Oma-Style, das abgenutzte Mobiliar und die finstere Atmosphäre gerne in Kauf. Vielleicht schwelgen manche Stammgäste sogar in alten DDR-Erinnerungen. Jedenfalls kommt man hauptsächlich wegen des hundefreundlichen Angebots hierher und nicht wegen Luxus oder Design. Trotzdem finde ich die Beschreibung auf der Webseite, die mit „luxuriös ausgestattetem Bungalow“ wirbt, zu hoch gegriffen. Für einen Preis von 800 EUR die Woche in einem angeblich luxuriös ausgestatteten Häuschen, würde ich eine modernere Küche inklusive Spülmaschine und etwas weniger Großmutter-Feeling erwarten.
Ausdrücklich erwünscht: Hunde als VIP
Doch Alice Borchard scheint den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Das insgesamt 7.000 qm große Grundstück wurde 1997 von ihren Eltern entdeckt, gekauft und vorerst als Pension genutzt. „Die Hauptzielgruppe sollten Wanderer und Radfahrer werden, zum Glück ist es mir gelungen, die Eltern für meine hundefreundliche Anlage zu überzeugen“, erklärt die zierliche Brünette. „Auf die Idee bin ich gekommen, als ich selbst versucht habe, an der Ostsee mit meinen drei Hunden unterzukommen. Vollkommen unmöglich“.
Wer an der Ostsee kein Glück hat, wird eben an der Mecklenburgischen Seenplatte fündig. Heute gehört das Grundstück mit einem Ferienhaus und vier Nebengebäuden ganz allein der gebürtigen Bielefelderin. „Hunde sind bei uns nicht nur geduldet. Sie sind ausdrücklich erwünscht und werden wie VIPs behandelt“.
Die Behandlungen für Hund und Mensch werden auch persönlich von der Chefin angeboten: Alice Borchard hat nach ihrer Ausbildung zur Kosmetikerin eine Weiterbildung in Hundephysiotherapie und Hundemassagen gemacht. Demnächst absolviert sie auch eine Weiterbildung zur zertifizierten Natur- und Wanderführerin. „Wanderungen sind extrem gefragt, darauf werden wir uns künftig auch konzentrieren“, erklärt die Besitzerin der 4-jährlige Colliehündin Honey-Bee und der 8-jährigen Sheltie-Dame Amy, die auch Namensgeberin für die Hund-Mensch-Anlage war. „Sehr beliebt sind unsere dreiviertelstündigen Silvester-Wanderungen, bei denen alle Hunde, auch die ängstlichsten, bereitwillig mitmachen. Auch die Wanderwochen – fünf Tage durch den Müritz-Nationalpark mit Hund – sind sehr gefragt.“
Ferienhaus am See: Für Sommer und Winter
Will man Nichtstun genießen, bleibt man einfach auf dem Gelände, beim guten Wetter bevorzugt draußen. Das Wohn- und das Schlafzimmer in der Fischerhütte würden nämlich keinen Gemütlichkeitswettbewerb gewinnen. In den Räumen dominieren freskenhafte Blumenformen: Unterschiedliche florale Muster stechen auf den Vorhängern, Wänden, Couchbezügen und Kissen ins Auge.
Das Mobiliar scheint einem Flohmarkt entsprungen zu sein – kein Möbelstück passt zum anderen. Der Vorteil ist: In dem bunten Potpourri an Farben, Stilen und Epochen findet jeder etwas, was ihm gefällt. In meinem Fall sind das die massiven Holzbalken an der Decke und der große, teils eiserne, teils geflieste Kaminofen – mein persönliches Highlight, das jegliche innenarchitektonischen Fehlgriffe vergessen lässt. Ich liebe lange, wohlige Abende am Kaminfeuer: für mich die einzige Daseinsberechtigung für Herbst und Winter.
Über Omas „Perser“-Teppich, der an manchen Stellen von den Schritten der letzten Dekaden so platt getreten, dass fast durchsichtig ist, gelangt man in den Wintergarten. Trotz der Holzverkleidung an den Wänden ist das – neben dem Schlafzimmer – der hellste Raum in der Hütte. Hier könnten vier Personen bequem speisen: Ein großer, ovaler Tisch mit einem – wie hätte es anders sein können – geblümten Wachstuch und vier grünen Möchte-gern-Rattan-Stühlen bietet genügend Platz. Das Häuschen selbst ist allerdings eher für zwei Personen ausgerichtet: Im Schlafzimmer steht ein Doppelbett, im Wohnzimmer lediglich eine Zweier-Couch, die sich nicht ausziehen lässt.
Hundespaß im umzäunten Garten
Fünf luftige Holzstufen verbinden den Wintergarten mit dem wunderschönen, etwa 5.000 qm großen, naturbelassenen Garten, in dem auch andere Ferienhäuser ihren Platz haben. Das Areal ist komplett umzäunt und somit für Hunde ausbruchssicher. Zwischen den einzelnen Hütten gibt es aber keine Zäune, sodass sich die Hunde begegnen können. Meine nützen das auch prompt, um den Futternapf ihres neu kennengelernten Hundekumpels zu plündern. „Wer seine Mahlzeit nicht gleich einnimmt, ist halt selber schuld“, lese ich in den unschuldigen Augen meiner dauerhungrigen Monster.
Zum Glück nehmen die zweibeinigen Nachbarn das Fress-Fauxpas ziemlich locker, ohne dem eigenen Hund allerdings eine Standpauke zu ersparen. „Habe dir doch gesagt, Fiete, dass du deine Wurst gleich essen sollst“, bekommt der große Rüde mit kleinem Appetit zu hören.
Hundestrand und Hundeparcours
Das Gelände ist groß genug, um sich bei hündischer Antipathie aus dem Weg zu gehen. Obwohl es aber an den Spätsommertagen in Amys Wohlfühlvilla ein reges Kommen und Gehen herrscht, beweisen alle Hunde gute Manieren. Bis auf den Futterdiebstahl meiner Staubsauger natürlich. Doch auch, wenn Shila und Fasa die Nachbars Terrasse am spannendsten finden, gibt es auf dem Gelände noch viel zu entdecken, wie etwa einen Hindernis-Parcours für Agility-Fans (das sind meine Hunde nicht) oder hundevernarrte Grundstückbesitzer von den Privathäusern nebenan.
Am unteren, östlichen Ende des Gartens gelangt man durch ein kleines Zauntor direkt zu der Badestelle für Hund und Mensch. Zauberhaft von einer sanft wiegenden Schilfkulisse eingehüllt, bietet der kleine Strand einen wunderschönen Blick auf den großen See, nette Sitzgelegenheiten und einen langen Steg, an dessen Ende ein Yachtboot ankert.
Schade nur, dass der Steg eine Schwimmbrücke aus Aluminium ist, die an sonnigen Tagen ein schuhloses Betreten unmöglich macht: Weder Füße noch Pfoten halten die aufgeheizte Fläche aus. Zudem ist die metallene Konstruktion beim Betreten unangenehm laut und passt so gar nicht in das idyllische Strandbild. Ein Holzsteg mit leichter Patina würde hier viel besser passen. Die Hunde lassen sich von dem kleinen Schönheitsfehler natürlich keinesfalls stören und gönnen sich jedes Mal einen ausgiebigen Bade- und Plantsch-Spaß.
Hundeschwimmbad und Hundeduschen
Baden und Plantschen ist auch in dem Hundeschwimmbad möglich, der in einem zentral gelegenen Häuschen auf dem Gelände zu finden ist. Der 8 x 4 Meter große und bis zu 1,25 m tiefe Becken bietet eine Schwimmmöglichkeit an kalten Tagen, aber auch eine wassergestützte Physiotherapie. Eine großzügige Glasfront bietet vom Hundeschwimmbad aus eine großartige Aussicht auf das leicht hügelige Gelände, den Strand und den See.
Nach dem ganztägigen Beschäftigungsprogramm mit Schwimmen, Schlendern und Spielen ist möglicherweise eine Dusche von Nöten. Hunde verfügen über zwei eigene: im Hauptgebäude und in der Schwimmhalle – ein großartiger Service in Amys Wohlfühlvilla. Badetücher und Bademäntel für Vierbeiner liegen ebenfalls parat. Für mich gibt es in der Fischerhütte ein geräumiges Badezimmer mit Fenster. Nicht ganz so urig wie die Küche, doch auch nicht modern. Statt einer Duschkabine gibt es eine große Eckbadewanne. An sich ein schöner Luxus, der fehlende Stöpsel macht das Baden allerdings unmöglich und der nicht vorhandene Vorhang das Duschen unbequem spritzig.
Urlaub im Ferienhaus: Freiheit ohne Internet
Nach einer wohltuenden Dusche will man endlich entspannen, viel Freizeit macht doch auch müde: Im wohl verdienten Feierabend angekommen, möchte ein Workaholiker wie ich etwas Zeit in der virtuellen Welt verbringen. Surfen ist allerdings nur in dem Hauptgebäude möglich – die WLAN-Reichweite reicht bis in die Bungalows nicht aus und das mobile Netz schwächelt permanent. Eine gute Gelegenheit, um richtig abzuschalten. Dazu lädt auch der 1990 gegründete Müritz-Nationalpark ein, ein naturbelassener und wilder Buchenurwald mit vielen spektakulären Windwürfen und häufig kreuzenden Wildtieren. Schade nur, dass gelegentlich auch Eurofighter aus dem Luftwaffenstützpunkt Rostock-Laage zu sichten sind und ein unheimliches Getöse am Himmel veranstalten.
Ferienhaus, Ferienwohnungen und Gästezimmer für den perfekten Urlaub mit Hund
Faktor Hundefreundlichkeit
Mein Fazit nach einer Woche Urlaub mit Hund:
Amys Wohlfühlvilla ist nicht nur hundefreundlich, sondern hundevernarrt: Die Vierbeiner genießen auf dem Areal Sonderrechte und sehr viel Freiheit. Wer ein sozial verträgliches Tier hat, wird hier einen entspannten Urlaub mit Hund verbringen können. Das umzäunte Grundstück ohne Leinenpflicht und die Badestelle am See gehören zu meinen persönlichen Highlights und sind von meinen Hunden auch intensiv in Anspruch genommen worden. Der in direkter Nähe gelegene Müritz-Nationalpark macht lange Wanderungen in vollkommener Abgeschiedenheit und Stille möglich, das Leinengebot ist wegen häufigem Wildwechsel allerdings ernst zu nehmen.
Einen bitteren Beigeschmack hat allerdings die Hundegebühr: In so einem Hundeparadies müsste sich das Tier umsonst aufhalten dürfen, gleich ab der ersten und nicht erst ab der achten Übernachtung. Die Zusatzabgabe erinnert eher an Hotels, die Hunde lediglich dulden, aber nicht willkommen heißen.
Außer der Fischerhütte sind die Ferienwohnungen modern und sonnig, wer auf urbanes Design und exklusive Ausstattung steht, wird aber enttäuscht. Die neuen Bungalows sind bodenständig im IKEA-Stil eingerichtet, passend für den gängigen Geschmack. Die Fischerhütte könnte der Hit sein, wäre nicht die etwas bedrückende Dunkelheit, das zusammengewürfelte Mobiliar und die vollkommen abgenutzte Küche mit der vorstehenden Abzugshaube. Diese müsste eigentlich ein „Blaue-Flecken-Spender“ heißen.
Preislich war der Aufenthalt schon ziemlich sportlich. 800 EUR / Woche halte ich persönlich bei der Einrichtungs-Qualität für etwas überhöht. Man zahlt aber ganz klar für „Urlaub mit Hund“, also für die hündischen Sonderrechte und für die Freiheit als Hundehalter. Bei Amys Wohlfühlvilla erntet man keine schrägen Blicke, weil der Hund mal bellt oder von plötzlich auftretenden Glücksgefühlen gepackt, ganz der Selbst-Entertainer, im Kreis galoppiert. Und da Hundemenschen in der Regel naturverbunden und wegen ihres Hundes meist an Verzicht und Abstriche gewöhnt, hat das Areal am Großen Labussee eindeutig das Potenzial, zu DEM Urlaubsziel für Hund und Halter zu werden.